Pro Oriente
Die Orthodoxe Kirche / Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus

Patriarchat von Moskau und der ganzen Rus

Anzahl der Gläubigen

ca. 100 Millionen, vor allem in Russland, Belarus und der Ukraine, in den angrenzenden Staaten der ehemaligen Sowjetunion, in China und Japan sowie in der Diaspora

Titel des Ersthierarchen

Patriarch von Moskau und der ganzen Rus

Sitz des ErsthierarchenMoskau (Russland)
Aktueller Amtsinhaber

Kirill (Gundjajev), geb. 1946, im Amt seit 2009

Bischöfe und Diözesen

377 Bischöfe; 302 Diözesen, darunter zwei autonome Kirchen: China (1) und Japan (3 Diözesen); fünf „selbstverwaltende“ Kirchen: Estland (1), Lettland (2), Moldau (6), Ukraine (53) und die „Russische Orthodoxe Kirche im Ausland“ (8 Diözesen); vier Exarchate: Afrika (2), Belarus (15), Südostasien (4), Westeuropa (5 Diözesen).

Ritus

byzantinisch

Liturgiesprachekirchenslawisch
Kalender

julianisch

Präsenz in Österreichca. 40.000 Gläubige; Bischofssitz in Wien; 7 Gemeinden, 10 Priester, 2 Diakone.
Präsenz in Deutschland

ca. 490.000 Gläubige in zwei Diözesen:
(1) Berliner Diözese des Moskauer Patriarchats: Bischofssitz in Berlin, 109 Gemeinden, 77 Priester, 19 Diakone.
(2) Diözese der Russ. Orth. Kirche im Ausland: 2 Bischöfe (Diözesan- u. Vikarbischof), 62 Gemeinden, 51 Priester, 11 Diakone.

Die Russische Orthodoxe Kirche ist die zahlenmäßig größte Orthodoxe Kirche. Ihre Entstehung geht auf das Jahr 988 zurück, als der Kiewer Großfürst Vladimir das Christentum annahm und sich und sein Volk von Vertretern der byzantinischen Kirche taufen ließ. Nach der Eroberung Kiews durch die Tataren verlagerte sich der Schwerpunkt des Reiches im 13. Jahrhundert nach Norden und die Metropoliten von Kiew nahmen ihren Sitz in Moskau (ab 1326). Bis ins 15. Jahrhundert unterstand die Kiewer Metropolie dem Ökumenischen Patriarchat. 1448 kam es zum Bruch zwischen Moskau und Konstantinopel, als der Kiewer Metropolit Isidor die Beschlüsse des Unionskonzils von Ferrara-Florenz (1438/39) in Russland durchsetzen wollte. Nach dem endgültigen Zerfall des Byzantinischen Reiches 1453 sahen sich Zar und Kirche in Russland zunehmend als einzig legitime „Hüter der Orthodoxie“. Diese Entwicklung führte 1589 zur Erhebung der Russischen Orthodoxen Kirche in den Rang eines Patriarchats. Nach einer Periode wachsender Machtfülle des Patriarchats im 17. Jahrhundert geriet die Orthodoxe Kirche in Russland nach der Abschaffung des Patriarchats durch Zar Peter den Großen zu Beginn des 18. Jahrhunderts zunehmend unter staatliche Kontrolle.

Eine von der russischen Religionsphilosophie angestoßene Blütezeit der Theologie in Russland führte zu Beginn des 20. Jahrhunderts zu einer großen Reformbewegung, die im Landeskonzil von 1917/18 ihren Höhepunkt fand. Die von diesem Konzil beschlossenen innerkirchlichen Reformen sowie die Wiederherstellung des Patriarchats sollten es der Orthodoxen Kirche ermöglichen, wieder zu einer gesellschaftsprägenden Kraft zu werden. Die Machtübernahme der Sowjets machte diese Pläne zunichte. Orthodoxe Bischöfe, Priester und Laien wurden verfolgt, erschossen oder in Arbeitslager verbannt. Eine 1927 abgegebene Loyalitätserklärung gegenüber den Sowjets konnte die Verfolgungen nicht verhindern, führte aber zur Abspaltung zahlreicher russischer Emigranten, die mit der „Russischen Orthodoxen Kirche im Ausland“ eine eigene Kirchenstruktur schufen.

Der Zweite Weltkrieg brachte ein Ende der massiven Verfolgungen, weil Stalin die Unterstützung der Orthodoxen Kirche benötigte. Nach 1945 fanden Staat und Kirche in der Sowjetunion zu einem modus vivendi, der dem Moskauer Patriarchat eine begrenzte seelsorgliche Tätigkeit innerhalb der wenigen geöffneten Kirchen ermöglichte, jedoch jeglichen kirchlichen Einfluss auf die Gesellschaft zu unterbinden versuchte. 1961 durfte das Moskauer Patriarchat dem Ökumenischen Rat der Kirchen beitreten, weil sich die Machthaber von diesem Schritt erhofften, von den staatlichen Restriktionen ablenken zu können. Das Moskauer Patriarchat nutzte den gegebenen Freiraum in den folgenden Jahrzehnten, um ein Netz von ökumenischen Beziehungen aufzubauen, durch das die sowjetischen Machthaber von allzu offener Verfolgung der Orthodoxen Kirche abgehalten werden konnten.

Aufgrund der von Michail Gorbatschow eingeleiteten „Perestrojka“ konnte die Russische Orthodoxe Kirche im Jahr 1988 die Tausendjahrfeier der Taufe der Kiewer Rus’ in aller Öffentlichkeit begehen. Nach dem Zerfall der Sowjetunion 1991 gewann die Orthodoxe Kirche in der Russischen Föderation sowie den übrigen Nachfolgestaaten der Sowjetunion rasch an Einfluss. Zugleich verschlechterten sich die ökumenischen Beziehungen, u.a. wegen der zahlreichen Missionare, die in den 1990er-Jahren in die ehemalige Sowjetunion strömten. Das Moskauer Patriarchat reagierte auf die zunehmende Konkurrenz, indem es das Territorium der ehemaligen Sowjetunion (mit Ausnahme Georgiens und Armeniens) zu seinem „kanonischen Territorium“ erklärte. Um dem wachsenden Nationalbewusstsein in den Nachfolgestaaten der Sowjetunion Rechnung zu tragen, wurde den Orthodoxen Kirchen in der Ukraine und in Belarus eine weitgehende Autonomie gewährt. Nach mehrjährigen Vorbereitungen wurde im Mai 2007 die Wiederherstellung der Kirchengemeinschaft zwischen dem Moskauer Patriarchat und der russischen Auslandskirche besiegelt, die jedoch als „sich selbst verwaltender Zweig“ der Russischen Orthodoxen Kirche eine relative Unabhängigkeit bewahrt.


Literatur

  • R. Elsner, Die Russische Orthodoxe Kirche vor der Herausforderung Moderne, Würzburg 2018.
  • Metropolit Hilarion (Alfeyev), Katechismus. Kleine Wegbegleitung im orthodoxen Glauben, Münster 2017.
  • Th. Bremer, Kreuz und Kreml. Geschichte der orthodoxen Kirche in Russland, Freiburg i.Br. ²2016.
  • Die Russische Orthodoxe Kirche, hg. v. Metropolit Pitirim von Volokolamsk, Berlin / New York 1988.

Links