Wohin steuert die Orthodoxie? - Neues Themenheft der "Herder Korrespondenz"
Unter den prominenten Autorinnen und Autoren der neuen Sonderpublikation befinden sich auch zahlreiche mit PRO ORIENTE eng verbundene Expertinnen und Experten
Wien/Freiburg, 04.11.24 (poi) Ein neues Themenheft der "Herder Korrespondenz" ist ganz der Orthodoxen Kirche bzw. aktuellen Entwicklungen innerhalb der Ostkirchen gewidmet. Der Fokus liegt dabei auf der Orthodoxie, es werden aber auch Entwicklungen in den orientalisch-orthodoxen Kirchen sowie den katholischen Ostkirchen behandelt.
Wohin steuern die Kirchen des Ostens? Welche Rolle können die orthodoxen und orientalisch-orthodoxen Kirchen angesichts der aktuellen Situation in den ökumenischen Gesprächen spielen? Und was wird das Jubiläum des Konzils von Nizäa vor 1.700 Jahren leisten können, nach dem es in unterschiedlichen Jahrhunderten zu mehreren Kirchenspaltungen kam? - Auf diese und viele weitere Fragen versuchen die Autorinnen und Autoren des Heftes Antworten zu geben.
Auch zahlreiche mit PRO ORIENTE verbundene Expertinnen und Experten sind als Autorinnen und Autoren mit dabei. So erläutert etwa der stellvertretende Vorsitzende der Grazer PRO ORIENTE-Sektion, Prof. Grigorios Larentzakis, die Position des Ökumenischen Patriarchats bzw. des Ökumenischen Patriarchen innerhalb der Weltorthodoxie. Dessen Vorrangstellung sei weit mehr als nur ein bloßer Ehrentitel, betont Larentzakis.
Der Salzburger PRO ORIENTE-Vorsitzende Prof. Dietmar Winkler zeichnet die historische Genese der griechisch-katholischen Kirchen nach. Sein Fazit: "Ohne den Uniatismus der Vergangenheit und die damit verbundenen Kirchenspaltungen gutzuheißen, muss man heute, im Zeitalter der ökumenischen Dialoge, den katholischen Ostkirchen ihren Platz zugestehen." Nicht gegenseitiges Aufrechnen dürfe im Mittelpunkt des Dialoges stehen, sondern "geschwisterliche Beziehungen mit dem Ziel der vollen Gemeinschaft in Glaube, Leben und Zeugnis".
Den einführenden Beitrag zum Themenheft hat Johannes Oeldemann, Direktor am Johann-Adam-Möhler-Institut für Ökumenik (Paderborn), verfasst.
"Orthodoxie im Singular existiert nicht mehr"
Die Schweizer Orthodoxie-Expertin Prof. Barbara Hallensleben sieht in ihrem Beitrag die orthodoxen Kirchen auch aufgrund ihrer politischen Verflechtungen an einem Scheidepunkt angelangt. "Die Orthodoxie im Singular existiert nicht mehr, zumindest ist sie auf unabsehbare Zeit außer Reichweite geraten", schreibt Hallensleben. Die Westkirchen fänden in der Situation der Ostkirchen "einen Spiegel ihrer eigenen Lage". Das habe Einfluss auf den ökumenischen Dialog: "Wir haben mit der orthodoxen Welt nicht zu viel gesprochen, wie man heute häufig hört, sondern zu wenig und auf die falsche Weise", so Hallensleben.
Die deutsche Ostkirchen- und Ökumene-Expertin Prof. Theresia Hainthaler beleuchtet in ihrem Beitrag das Ringen um christologische Grundfragen zur Zeit der ersten ökumenischen Konzilien. Die dort errungenen Glaubensaussagen waren nicht selten auch Grund für Kirchenspaltungen, wie sie ausführt. Und sie stellt fest, dass die Kirchen in so mancher christologischen Aussage bis heute keinen Konsens erreichen konnten.
Der Wiener rumänisch-orthodoxe Theologe Ioan Moga schreibt in der "Herder Korrespondenz" über liturgische Christologie und darüber, was die systematische Theologie von der Orthodoxie lernen könne. Er sieht darin auch ein Potenzial für das Auflösen kirchenpolitischer Irritationen und ekklesiologischer Krisen.
Ökumene in Jerusalem
P. Frans Bouwen schreibt über Ökumene in Jerusalem in Zeiten des Konflikts. Dabei konstatiert er, dass die einfachen Gläubigen mitunter schon weiter seien als der Klerus: "Die Gläubigen identifizieren sich spontan als Christen, wohingegen der Klerus dazu tendiert, sich mit der jeweiligen Konfession zu identifizieren. (...) Auf dem Weg zu einem gemeinsamen Zeugnis und Dienst werden die Kirchenoberhäupter, Priester und Geistlichen von den Gläubigen ermutigt, die ihnen oftmals sogar vorausgehen." Die Christinnen und Christen vor Ort seien sich bewusst, "dass sie sich nur gemeinsam wirksam für ihre künftige Präsenz in Israel-Palästina einsetzen können". Es sei eine Frage des "zusammen sein oder nicht sein".
Prof. Baby Varghese erläutert in seinem Beitrag den Liturgiestreit in der Syro-malabarischen Kirche in Indien. Weitere Autoren sind etwa der deutsche Ökumene-Bischof Gerhard Feige, der Chefredakteur der Zeitschrift "Religion & Gesellschaft in Ost und West" Stefan Kube und der Münchner orthodoxe Theologe Georgios Vlantis.
Infos: www.herder-korrespondenz.de