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Winkler: Katholische Kirche ist Gemeinschaft vieler eigenständiger Kirchen

POI 241120

Salzburg, 20.11.24 (poi) Die Katholische Kirche ist letztlich eine Gemeinschaft mehrerer gleichberechtigter eigenständiger Kirchen – ein Umstand, der noch viel stärker im Bewusstsein der Kirche verankert sein sollte.

Das betont der Salzburger Ostkirchenexperte und Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg, Prof. Dietmar Winkler, in seinem Beitrag im neu erschienenen Handbuch "Die katholischen Ostkirchen. Herkunft - Geschichte - Gegenwart". (Erschienen im Verlag Herder)

Winkler erinnert daran, dass vor 60 Jahren, am 21. November 1964, das Ostkirchendekret "Orientalium Ecclesiarum" des Zweiten Vatikanischen Konzils von Papst Paul VI. in Kraft gesetzt wurde. Damit erfuhr das reiche ostkirchliche Erbe innerhalb der katholischen Kirche eine besondere Wertschätzung. Die katholischen Ostkirchen machten deutlich, "dass die katholische Kirche ein Communio von Kirchen ist, in der die verschiedensten spirituellen, liturgischen und kulturellen Traditionen ihren Platz haben", so Winkler. Er ist auch Vorsitzender der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion.

16 internationale Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, darunter Prof. Winkler, haben das Konzilsjubiläum zum Anlass genommen, um in der neuen Publikation "Die katholischen Ostkirchen" Herkunft, Geschichte und Gegenwart dieser Kirchen darzustellen. Ein erster Teil behandelt grundsätzliche Fragen bzw. Querschnittsmaterien zu den über 20 katholischen Ostkirchen, die es derzeit gibt. In einem zweiten Teil werden die einzelnen Kirchen vorgestellt.

Als katholische Ostkirchen werden eigenständige Kirchen ("Ecclesiae sui iuris"- Kirchen eigenen Rechts) bezeichnet, die aus Kirchen des östlichen Christentums, also aus orthodoxen oder orientalisch-orthodoxen Kirchen, hervorgegangen und mit Rom eine Union eingegangen sind.

Quantitativ machen die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche (4,5 Mio., 25 Prozent aller Mitglieder der katholischen Ostkirchen), die Syro-malabarische Kirche (4,3 Mio., 24 Prozent), die Maronitische Kirche (3,5 Mio., 20 Prozent), die Melkitische Kirche (1,5 Mio., 9 Prozent), die Chaldäische und die Armenisch-katholische Kirche (jeweils ca. 600.000-700.000, 4 Prozent) zusammengenommen 86 Prozent der katholischen Gläubigen mit ostkirchlichen Riten aus. Die übrigen katholischen Ostkirchen sind sehr klein.

Alle katholischen Ostkirchen anerkennen den Papst als Oberhaupt, sie besitzen aber zugleich unterschiedlich ausgeprägte innerkirchliche autonome Rechte. Sie haben ihr eigenes Kirchenrecht, festgehalten im 1990 erschienenen Codex Canonum Ecclesiarum Orientalium (CCEO), erweitert um jeweils spezifische eigene Regelungen. Die katholischen Ostkirchen feiern ihre Gottesdienste nach ihrem eigenen Ritus. Dieser kann byzantinisch, westsyrisch, ostsyrisch, koptisch, äthiopisch, eritreisch oder armenisch sein. In fast allen katholischen Ostkirchen gibt es verheiratete Priester, die Sakramentenpraxis unterscheidet sich in einigen Details von jener in der römisch-katholischen Kirche, teilweise gibt es auch unterschiedliche theologische Lehrinhalte.

Gerade durch die Migrationsbewegungen der letzten zehn Jahre - ausgelöst vor allem auch durch die dramatische Situation im Nahen Osten und in der Ukraine - sind viele Gläubige katholischer Ostkirchen in den Westen gekommen, was große Herausforderungen für diese Kirchen in der so genannten Diaspora mit sich gebracht, zugleich aber auch ihre Bekanntheit gesteigert hat.

Die Kirchen werden entsprechend ihrem Status als Patriarchatskirchen (mit einem Patriarchen an der Spitze), Großerzbischöfliche Kirchen (mit einem Großerzbischof an der Spitze) Metropolitankirchen (mit einem Metropoliten an der Spitze), sowie in Eparchie- bzw. Exarchatskirchen und solche ohne eigenständige Hierarchie eingeteilt. Gerade im Blick auf Letztere gibt es keine rechtsverbindliche Aufzählung der Kirchen, weshalb es keine eindeutig feststehende Zahl der katholischen Ostkirchen gibt.

Eine kirchenrechtliche wie auch pastorale Besonderheit sind zudem so genannte Ostkirchen-Ordinariate, in denen in westlichen Ländern einige der Ostkirchen zusammengefasst sind und unter der Letztverantwortung eines römisch-katholischen Ortsbischofs stehen. Ein solches Ostkirchenordinariat besteht in Österreich, in ähnlicher Form auch in Argentinien, Brasilien, Frankreich, Griechenland, Rumänien und Spanien.

Als Herausgeber des neuen Handbuchs "Die katholischen Ostkirchen" fungieren neben Prof. Winkler noch Prof. Christian Lange von der Katholisch-theologischen Fakultät der Julius-Maximilians-Universität Würzburg, Prof. Karl Pinggera von der Philipps-Universität Marburg sowie Prof. Hacik Gazer von der Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg. Zu den Autorinnen und Autoren mit Österreich-Bezug gehören Prof. Thomas Nemeth von der Universität Wien, die in Regensburg lehrende Wiener Ostkirchenexpertin Prof. Andrea Riedl, der Grazer Liturgiewissenschaftler Prof. Erich Renhart sowie der Linzer Kirchenrechtler Prof. Andreas Graßmann.

Christian Lange, Dietmar W. Winkler, Karl Pingera, Hacik Gazer (Hg): Die katholischen Ostkirchen. Verlag Herder, Freiburg 2024