Syrien: Was P. Jacques Mourad als Geisel des IS widerfuhr
Der Ordensmann und designierte syrisch-katholische Erzbischof von Homs hat seine Erfahrungen in dem Buch "Ein Mönch in Geiselhaft" festgehalten
Papst Franziskus hat am vergangenen Wochenende den in Aleppo geborenen syrischen Mönch Jacques Mourad (54) als neuen syrisch-katholischen Erzbischof von Homs in Syrien bestätigt. Laut dem Infoportal "SyriacPress" wird der syrisch-katholische Patriarch Ignatius Joseph III. Younan P. Mourad im März in Homs zum Bischof weihen und in sein Amt einführen. Der designierte Erzbischof, der auch ökumenisch als sehr aufgeschlossen gilt, ist international gut vernetzt und war schon mehrfach in den Räumlichkeiten von PRO ORIENTE in der Wiener Hofburg zu Gast.
P. Mourad wurde im Jahr 2015 weltweit bekannt, als ihn die Terroristen des "Islamischen Staates" entführten und mehrere Monate als Geisel festhielten. Für seine Freilassung setzte sich damals auch Papst Franziskus ein. Mourad hat seine Erfahrungen in dem Buch "Ein Mönch in Geiselhaft" festgehalten.
Am 21. Mai 2015 drangen zwei Dschihadisten des IS in das Mar Elian-Kloster ein, in dem Mourad damals lebte, und entführten den Pater und einen Mitbruder. Was folgte, waren fünf grauenvolle Monate der Gefangenschaft. P. Jacques hat diese Zeit in seinem Buch aufgearbeitet.
P. Jacques berichtet davon, dass die Gefangenschaft so grausam wie absurd war. Er musste Folter über sich ergehen lassen, an anderen Tagen wurde er von islamischen Gelehrten höflich zum religiösen Gedankenaustausch gebeten, bevor ihm wieder ein Terrorist das Messer an die Kehle setzte. "Der Schmerz ist unerträglich. Sie hören nicht auf. Der Schlauch knallt auf meine Haut, mein Rücken brennt, meine Haut wird zerfetzt. Sie beleidigen mich und schlagen mich weiter", schreibt er in seinem Buch. Im Gebet findet P. Jacques Halt; oft, aber nicht immer: "In der Nacht jedoch kommen sie wieder. (...) Ich hoffe, dieses Mal wollen sie mich auch wirklich töten. Mein ganzer Körper schmerzt und ich bin nervlich am Ende. Zuerst schlagen sie uns einige Male, dann zwingen sie uns, etwas von dem gegrillten Hähnchen zu essen, das sie mitgebracht haben."
Der Ordensmann berichtet in seinem Buch auch über seine Kindheit und Jugend in Aleppo, wie er zur Mönchsgemeinschaft von Mar Musa fand und schließlich gemeinsam mit der christlichen und muslimischen Bevölkerung von Qaryatein das verfallene Kloster Mar Elian wieder aufbaute. 1.000 christliche und 20.000 muslimische Menschen lebten in Qaryatein friedlich miteinander. Im nahen Kloster war jeder willkommen. Qaryatein wurde im Krieg zunächst von Islamisten erobert, später von der syrischen Armee zurückerobert und dann 2015 vom IS besetzt.
Muslime halfen bei der Flucht
Besonders beklemmend: Nach einiger Zeit wurde P. Jacques gemeinsam mit hunderten seiner Pfarrangehörigen gemeinsam in Gefangenschaft gehalten - Männer, Frauen, Kinder. Einige wurden ermordet, den anderen wurde später gestattet, in Qaryatein zu wohnen. Die vom IS gehaltene Stadt glich im Herbst 2015 aber nur mehr einer Geisterstadt und wurde von der syrischen Armee bombardiert. Schließlich gelang P. Jacques und den meisten christlichen Gefangenen mithilfe einiger Muslime die Flucht ins Regierungsgebiet. Die Helfer wurden bald darauf vom IS ermordet.
Wie konnte es in Syrien zum Krieg kommen? In Mourads Buch findet man zumindest einige Anhaltspunkte. So schreibt er etwa: "Auf den Straßen von Qaryatein sieht man immer mehr Anhänger dieser bewaffneten Gruppierungen. Wie konnte es sein, dass junge Menschen wie Ali sich diesen islamistischen Gruppen anschlossen, ich kenne doch seine Familie? (...) Die meisten Jugendlichen in Qaryatein stammen wie Ali aus niedrigen Schichten und der Arbeiterklasse und wissen, was Arbeitslosigkeit und Armut sind. Ist es da nicht verlockend, sich den Dschihadisten anzuschließen, die in glänzenden SUVs durch die Stadt rollen und sich dicke Villen bauen lassen?" Das Geld der Dschihadisten stammte aus Saudi-Arabien.
Trotz aller beschriebenen Grausamkeiten will P. Jacques Mourad sein Buch vor allem als Appell verstehen, sich den Prinzipien der Gewaltlosigkeit und Vergebung, der Liebe und des Gebets zu verschreiben, wie er selbst betont. Inzwischen hat der Ordensmann auch das vom IS zerstörte Kloster Mar Elian mit vielen freiwilligen Helfern, darunter auch zahlreiche muslimische, renoviert. Die offizielle Einweihungsfeier fand im Herbst 2022 statt.
Mourad gehört der in Syrien beheimateten Klostergemeinschaft Deir Mar Musa al-Habashi (Kloster des Heiligen Moses des Abessiniers) an. Das Kloster liegt am östlichen Ausläufer des Qalamoun-Gebirges etwa 80 Kilometer nördlich von Damaskus. Es wurde in den 1980er-Jahren von Paolo Dall'Oglio aufgebaut und gehört seit den 1990er Jahren zur Syrisch-katholischen Kirche. Der italienische Geistliche Dall'Oglio verschwand im Sommer 2013 im Osten Syriens, als er helfen wollte, Geiseln aus der Gewalt der Terrormiliz IS zu befreien. Seither fehlt von ihm jede Spur.
Jacques Mourad: Ein Mönch in Geiselhaft. Fünf Monate in den Fängen des Islamischen Staates. Arete-Verlag 2019.