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Serbisch-orthodoxer Theologe: Versöhnung in Bosnien-Herzegowina ist möglich

Theologe Zeljkovic in PRO ORIENTE-Blog: "Förderung des Dialogs zwischen jungen Menschen ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft und ein Weg, um die Versöhnung von Erinnerungen durch die Schaffung neuer, positiver Erinnerungen zu erreichen" - Politikwissenschaftlerin Bogdanovic bricht in Blog-Beitrag Lanze für den interreligiösen Dialog auf allen Ebenen

POI 241007

Foto: oikoumene.org

Wien, 07.10.24 (poi) Durch Zusammenarbeit und eine Kultur des Dialogs und des gegenseitigen Verständnisses kann sich jede Gesellschaft auf eine harmonischere Zukunft zubewegen, in der Erinnerungen versöhnt und Wunden geheilt werden. Davon zeigt sich der Belgrader serbisch-orthodoxe Theologe Stefan Zeljkovic überzeugt. Wie er in einem aktuellen Beitrag des PRO ORIENTE-Blogs aufzeigt, haben in den letzten drei Jahrzehnten religiöse Institutionen in Bosnien-Herzegowina durch institutionelle und persönliche Dialoge einen wesentlichen Beitrag zur Versöhnung in der Erinnerungsarbeit geleistet.

Ein solcher Prozess der versöhnten Erinnerung erfordere freilich einen vielschichtigen Ansatz, so Zeljkovic, der neben der Bedeutung sowohl von Institutionen als auch Einzelpersonen ebenso die Rolle von Bildung sowie die der Medien betont.

Der aus Bosnien stammende und im interkulturellen Dialog engagierte Theologe verweist in seinem Beitrag u.a. auf den 1997 gegründeten Interreligiösen Rat von Bosnien und Herzegowina, der sich um die Förderung des Friedens und des interreligiösen Dialogs bemüht. Der jüngste Austritt der Serbisch-orthodoxen Kirche sei zwar ein Rückschlag, doch grundsätzlich sei die Ausrichtung des Rates sehr zu begrüßen, der sich für einen multireligiösen und multiethnischen Staat einsetzt.

Als weitere wichtige Institutionen nennt der Theologe das katholische Johannes-Paul-II. -Zentrum in Sarajewo sowie die Fakultät für orthodoxe Theologie der Universität Ost-Sarajewo und die Fakultäten für Islamwissenschaften und für katholische Theologie der Universität Sarajewo. Diese Einrichtungen verkörperten den "Geist der Zusammenarbeit und des gegenseitigen Respekts", der für den Aufbau einer friedlichen Gesellschaft unerlässlich sei.

Persönliche Erfahrungen hätten ihm zudem gezeigt, so Zeljkovic, wie wichtig es sei, in die junge Generation von Theologinnen und Theologen zu investieren. "Die Förderung des Dialogs zwischen jungen Menschen ist der Schlüssel zu einer besseren Zukunft und ein Weg, um die Versöhnung von Erinnerungen durch die Schaffung neuer, positiver Erinnerungen zu erreichen", so der Theologe.

Religion als Triebfeder für Versöhnung

Ähnlich wie Zeljkovic äußert sich auch die bosnische Friedensaktivistin Dajana Bogdanovic. Sie weist in ihrem Blog-Beitrag auf die grundsätzlich hohe Relevanz von Religion in Südosteuropa hin und hält fest, dass die Religion bereits einen wichtigen Beitrag zur Versöhnung geleistet habe. Im Prinzip sei es auch recht einfach, so die Politikwissenschaftlerin: "Alle monotheistischen Religionen beruhen auf denselben Grundsätzen - denen der Liebe, des Respekts und der Barmherzigkeit. Wenn wir alle als Abbild Gottes in all unserer Vielfalt geschaffen wurden, warum nutzen wir dann diese Vielfalt, um uns zu trennen, anstatt uns zu ergänzen?" Bogdanovic arbeitet seit über zehn Jahren in verschiedenen Friedensinitiativen in Bosnien-Herzegowina. Ihre Spezialgebiete sind der interreligiöse Dialog und Friedenserziehung.

Religiöse Führer hätten eine einzigartige Rolle bei der Gestaltung des Lebens der Bürgerinnen und Bürger, und Religion sei eine der wichtigsten Triebfedern für Versöhnung, so Bogdanovic. Sie bricht eine Lanze für den interreligiösen Dialog auf allen Ebenen, sei es etwa durch gegenseitige Besuche in Moscheen, Synagogen und Kirchen, Diskussionen oder andere Dialog-Foren. Die Erfahrung zeige, so die in verschiedenen Dialogprojekten engagierte Friedensaktivistin, dass entgegen anderen Befürchtungen die Teilnahme am interreligiösen Dialog nicht nur Stereotype und Vorurteile über andere aufbreche, sondern man auch noch tiefer in die jeweils eigene Religion hinein verwurzelt werde.

Eine besondere Rolle sieht Bogdanovic im Blick auf Versöhnung bzw. den interreligiösen Dialog auch bei den Medien. Deren Engagement in diesem Bereich sei noch ausbaubar, befindet sie. Zugleich sieht sie aber auch eine Bringschuld bei den Religionsgemeinschaften. Diese sollten offener auf die Medien zugehen und diese stärker in ihre Aktivitäten einbinden.

PRO ORIENTE-Blog

Die Stiftung PRO ORIENTE veröffentlicht in regelmäßigen Abständen Blog-Einträge, in denen Teilnehmende der jüngsten PRO ORIENTE-Konferenz in Trebinje (Bosnien-Herzegowina) zu Wort kommen und die zentralen Anliegen ihrer Vorträge und Beiträge bei der Tagung auf den Punkt bringen. Die Tagung vom 29. Mai bis 1. Juni 2024 stand unter dem Motto "Die Kluft überwinden - Prozesse der Heilung verwundeter Erinnerungen im früheren Jugoslawien". Sie war Teil des PRO ORIENTE-Projekts "Healing of Wounded Memories" (Verletzte Erinnerungen heilen).

Das PRO ORIENTE-Projekt "Healing of Wounded Memories" hat im November 2023 mit einer internationalen Konferenz in Wien seinen Anfang genommen. Rund 50 Teilnehmende aus Europa, den USA und dem Nahen Osten hatten dabei Aspekte einer Theologie der Versöhnung reflektiert, zugleich aber auch konkrete geopolitische Konfliktfelder in der Ukraine, in Südosteuropa und im Nahen Osten in den Blick genommen. Die Themen der Auftaktkonferenz werden 2024 und 2025 in regionalen Workshops in diesen Regionen vertieft.

Zum PRO ORIENTE-Blog: www.pro-oriente.at/blog/healing-of-wounded-memories