Papst-Patriarch Tawadros II.: In vier Schritten zur Kircheneinheit
Oberhaupt der Koptisch-orthodoxen Kirche legt im Vorfeld seines Vatikan-Besuchs klares Plädoyer für Ökumene ab
Kairo/Vatikan, 10.04.23 (poi) Der koptisch-orthodoxe Papst-Patriarch Tawadros II. hat im Vorfeld seines an diesem Mittwoch beginnenden Besuchs im Vatikan vier wesentliche Schritte auf dem Weg zur christlichen Einheit genannt. Er äußerte sich in einem kurzen Video, das über die offiziellen Kanäle des koptisch-orthodoxen Patriarchats veröffentlicht und vom vatikanischen Fides-Nachrichtendienst aufgegriffen wurde.
Der erste Schritt besteht laut Tawadros II. in der Erkenntnis, dass die Einheit zwischen Christen verschiedener Konfessionen "nur in der gemeinsamen Liebe in Christus" gedeihen kann. Der Patriarch, der auch den Titel "Papst" führt, definiert die Einheit der Christen deshalb auch als "Einheit in Liebe", die nur erfahren werden könne, wenn man den Lehren und Schritten Jesu folge. Dabei betont Tawadros II. auch, dass es nach Jahrhunderten der Spaltung Zeit brauche, um den Weg zur vollen Einheit zu finden. Es brauche gegenseitiges Vertrauen und den aufrichtigen Wunsch zur Einheit.
Der zweite Schritt sei das gegenseitige Studium der jeweiligen Lehre und Geschichten bzw. Traditionen der verschiedenen Kirchen. Im dritten Schritt - dem Dialog - sollten die zuvor deutlich gewordenen Gemeinsamkeiten und Unterschiede erörtert werden. So könne man erkennen, dass die Kirchen zwar den gleichen Glauben teilten, diesen aber sprachlich teils unterschiedlich ausdrückten. Dieses Problem bestehe seit dem "unglückseligen Konzil von Chalcedon" im Jahr 451. (Anmk.: In Folge des Konzils von Chalcedon war es im Streit um das Verhältnis zwischen wahrem Gott-Sein und wahrem Mensch-Sein Jesu Christi zu einer von im Laufe der Kirchengeschichte mehreren Kirchenspaltungen gekommen.)
Der vierte wesentliche ökumenische Schritt besteht für den koptischen Papst schließlich im Gebet: "Wenn wir diese vier Schritte tun", so Patriarch Tawadros, "gelangen wir zum Herzen Christi und gehen Hand in Hand. Dies sind die Kriterien, die uns in unseren Beziehungen zu allen Kirchen der Welt leiten".
Laut Mitteilung des Vatikan wird der Patriarch Tawadros an diesem Mittwoch an der Generalaudienz von Papst Franziskus teilnehmen und am Donnerstag nochmals mit ihm zu einem persönlichen Gespräch zusammentreffen.
Der Besuch von Tawadros II. findet zum 50. Jahrestag der ersten Begegnung zwischen einem Bischof von Rom und einem koptisch-orthodoxen Papst-Patriarchen statt: Am 10. Mai 1973 unterzeichneten Papst Paul VI. (1963-1978) und das Oberhaupt der Koptisch-orthodoxen Kirche, Papst-Patriarch Schenuda III. (1971-2012) in Rom ein christologisches Abkommen, in dem sie viele Gemeinsamkeiten in Glauben und Sakramentenverständnis bekundeten und nach jahrhundertelanger Trennung einen theologischen Dialog zwischen den beiden Kirchen auf den Weg brachten. Der Weg zu diesem Abkommen war wesentlich bei einer inoffiziellen ökumenischen Dialogkonferenz der Stiftung PRO ORIENTE in Wien-Lainz im Jahr 1971 geebnet worden. Damals hatten sich die katholischen und die orientalisch-orthodoxen Teilnehmenden unter maßgeblicher Mitwirkung des damaligen Bischofs Schenuda auf die seitdem so genannte "Wiener Christologische Formel" über die in Frage stehenden christologischen Differenzen verständigt. Nur wenige Monate nach der Konferenz wurde Bischof Schenuda zum neuen Papst und Patriarchen der Koptisch-orthodoxen Kirche gewählt.
Bald nach der gemeinsamen Erklärung von 1973 geriet die katholisch-koptische Annäherung jedoch ins Stocken. Dazu trugen protokollarische Differenzen bei Kirchenkonferenzen in Europa bei, vor allem aber politische Auseinandersetzungen zwischen der koptischen Kirche und der Staatsmacht in Ägypten. Erst ab dem Jahr 2000 kam es im Zuge der damaligen Ägypten-Reise von Johannes Paul II. (1978-2005) zu einer wesentlichen Entkrampfung der Beziehungen und zur Aufnahme eines offiziellen theologischen Dialogs zwischen der katholischen Kirche und den orientalisch-orthodoxen Kirchen. Die positiven ökumenischen Entwicklungen setzten sich mit dem Amtsantritt des aktuellen koptischen Papst-Patriarchen Tawadros fort, der bald nach seinem Amtsantritt im November 2012 den Kontakt zur katholischen Kirche forcierte.
Zum 40. Jahrestag der Gemeinsamen Erklärung von 1973 besuchte Tawadros II. Papst Franziskus im Vatikan. Das Treffen am 10. Mai 2013 fand im Rahmen der ersten Auslandsreise des koptischen Papst-Patriarchen statt und wurde zu einem Neustart der Beziehungen. Der 10. Mai ist seither ein fester Gedenktag der koptisch-katholischen Freundschaft. 2017 wurde Papst Franziskus bei seiner Reise nach Ägypten in Kairo auch von Patriarch Tawadros II. empfangen.