Orthodoxer Bischof Andrej betont unbedingten Friedensauftrag aller Kirchen
PRO ORIENTE und das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) luden zu Veranstaltung über die Orthodoxie in Südosteuropa
Den unbedingten Friedensauftrag aller Kirchen hat der serbisch-orthodoxe Bischof Andrej (Cilerdzic) betont. Kirche-Sein an sich sei schon ein Friedensauftrag, so der Bischof bei einer Podiumsdiskussion in Wien. Wenn eine Kirche aus bestimmten Gründen den mörderischen Überfall auf die Ukraine nicht verurteilt, dann werde sie damit ihrem Auftrag nicht gerecht, so die Kritik des Bischofs, der aber keine Namen nannte.
Die Stiftung PRO ORIENTE und das Institut für den Donauraum und Mitteleuropa (IDM) hatten am 22. Juni zu einer Diskussionsveranstaltung unter dem Titel "Ein vielfältiges Gefüge - Orthodoxie in Südosteuropa" in das Wiener Schottenstift geladen. Dabei sollte die für Außenstehende nicht einfach zu verstehende und teils auch konfliktbeladene Situation der Orthodoxie vor Ort erläutert werden. Zuletzt hatte es mit der Unabhängigkeit der Orthodoxen Kirche in Nordmazedonien auch erfreuliche Entwicklungen gegeben, die bei der Veranstaltung ausführlich dargestellt und gewürdigt wurden.
Bischof Andrej sagte, dass es auch ihn überrascht habe, dass die Unabhängigkeit der nordmazedonischen Kirche nun so rasch gekommen sei. Zunächst habe das Ökumenische Patriarchat von Konstantinopel Anfang Mai das Schisma mit der Orthodoxen Kirche von Mazedonien – Erzbistum Ohrid für beendet erklärt. Dann habe die nordmazedonische Kirche sich mit einem Brief und der Bitte um Unabhängigkeit an den serbisch-orthodoxen Patriarchen Porfirije gewandt. Das habe großen Eindruck in Belgrad gemacht und die Gewährung der Autokephalie ermöglicht. "Die nordmazedonische Kirche ist damit den einzig legitimen Weg gegangen und hat große Reife bewiesen", so die Bilanz des Wiener serbisch-orthodoxen Bischofs.
Irena Pavlovic, Wissenschaftliche Mitarbeiterin an der Professur für Christliche Publizistik an der Friedrich-Alexander-Universität Nürnberg-Erlangen, beleuchtete in ihren Ausführungen ebenfalls das Friedenspotenzial von Religionen. Diese könnten entscheidend zu einer Deeskalation in Kriegen und Konflikten beitragen. Freilich sei auch das Gegenteil möglich und auch der Fall.
Das Friedenspotenzial stehe jedenfalls viel zu wenig im Fokus von Medien, Politik, Gesellschaft und Wissenschaft, so der Befund von Pavlovic. Und sie bekräftigte: "Der Friede muss für jede Kirche und Religion eine Top-Agenda sein!"
Im Rahmen der Veranstaltung wurden zwei für die orthodoxe Kirche wesentlichen Elemente, das der Autokephalie (Eigenständigkeit) und das der Synodalität, besonders beleuchtet. Anargyros Anapliotis, Akademischer Oberrat für Kirchenrecht an der Ludwig-Maximilians-Universität München, bezeichnete die Orthodoxie als "Gemeinschaft selbständiger Kirchen". Diese Selbständigkeit habe freilich auch Grenzen. Die Kanones würden es bei aller Selbständigkeit einzelnen Kirchen aus Rücksicht auf die Kircheneinheit etwa nicht gestatten, Änderungen in der Glaubenslehre vorzunehmen.
Zur in diesem Kontext relevanten Frage, wie eine zuvor abhängige Kirche ihre Autokephalie erhalten solle, gebe es derzeit keine von allen orthodoxen Kirchen akzeptierten Regelungen, führte Anapliotis aus. Er verwies aber auf ein Dokument aus dem Jahr 1993, in dem im Schweizer Chambesy in Vorbereitung auf ein Panorthodoxes Konzil ein Prozedere festgeschrieben wurde, das jedoch beim Heiligen und Großen Konzil von Kreta im Jahr 2016 nicht verabschiedet werden konnte. Nach diesem Dokument müsse eine Kirche, die die Unabhängigkeit wünscht, zuerst einmal dem Landeskonzil der Mutterkirche diesen Wunsch offiziell mitteilen. Wenn das Konzil diesen Wunsch positiv beurteilt, wird es dies an das Ökumenische Patriarchat weiterleiten, das nun seinerseits alle anderen autokephalen Kirchen informiert und um ein Urteil bittet. Stimmen alle Kirchen zu, dann proklamiert das Ökumenische Patriarchat die Autokephalie der neuen selbständigen Kirche. Dieses Prozedere sei jedenfalls im Fall der neuen unabhängigen Orthodoxen Kirche der Ukraine nicht zum Tragen gekommen.
In der Ukraine gebe es nun aber auch ein zweites ungelöstes kirchenrechtliches Problem: Die Ukrainisch-orthodoxe Kirche des Moskauer Patriarchats hatte sich vor Kurzem von Moskau gelöst und für unabhängig erklärt. Ihr Status sei aber derzeit unklar, sagte Anapliotis.
Konflikte nur synodal lösbar
Die Orthodoxe Kirche ist bischöflich-synodal verfasst und dies
unabhängig vom jeweiligen kulturellen Stil, in dem diese Synodalität zum Ausdruck kommt. Das betonte der Wiener Theologe Prof. Ioan Moga in seinen Ausführungen. "Konflikte können nur in synodaler Beratung und Entscheidung gelöst werden", so der Professor für Orthodoxe Theologie an der Universität Wien.
Das oberste Leitungsgremium in einer orthodoxen Kirche sei immer die Synode. Das letzte Wort habe immer "das gemeinsam Erkämpfte, Diskutierte, Entschiedene". Zugleich werde, wenn man die einzelnen Statuten der autokephalen orthodoxen Kirchen vergleicht, eine große Diversität offenbar. Formen der Zusammensetzung, auch Beteiligung der Laien, sowie Fragen der Zuständigkeit, der Regelmäßigkeit oder der Bedeutung der einzelnen Repräsentativorgane würden unterschiedlich gehandhabt. Das habe historisch-kulturelle Gründe, zeige aber zugleich auch eine große Flexibilität, die die Orthodoxe Kirche in Fragen der synodalen Praxis hat.
Moga: "Diese Flexibilität gibt westlichen Beobachtern viel zu schaffen: denn das synodale Wirken der Orthodoxen Kirche folgt nicht immer den üblichen kirchenpolitischen oder religionssoziologischen Algorithmen." Ein starker Patriarch könne vielleicht manche Agenden durchsetzen, werde aber nie eine ganze Bischofssynode kontrollieren können; "er muss immer also auch mit überraschenden Gegenbewegungen rechnen". Auch dürften Aussagen eines Patriarchen nicht überbewertet werden, "wenn sie nicht Bekundungen einer Synodalentscheidung sind".
Um die aktuellen Probleme innerhalb der Orthodoxie zu lösen, brauche es nicht weniger, sondern mehr Synodalität, zeigte sich Moga überzeugt. Und er betonte: "Synodalität auf Universalebene kann nur als verbindliche Institution funktionieren." Regelmäßige panorthodoxe Synoden wären sehr hilfreich, auch was die Verleihung der Autokephalie für einzelne Kirchen betrifft.
In diesem Zusammenhang plädierte Dr. Anapliotis für mehr autokephale Kirchen. Das derzeitige System sei für zu viele Spannungen verantwortlich. Wenn sich neue stabile Staaten mit stabilen kirchlichen Strukturen bildeten, dann sollte man diesen Kirchen die Autokephalie gewähren. Das ändere nichts am gemeinsamen orthodoxen Glauben, den Kanones bzw. der gemeinsamen Liturgie. Anapliotis: "Je mehr autokephale Kirchen wird hätten, umso mehr Friedenspotenzial würde es in der Orthodoxie geben."
Gedenken an Erhard Busek
Die Veranstaltung fand im Gedenken an Erhard Busek statt. Der Vizekanzler a. D., der am 13. März 2022 überraschend verstorben war, war langjähriger Vorsitzender des IDM und früheres Vorstandsmitglied von PRO ORIENTE. Friedrich Faulhammer, Rektor der Universität für Weiterbildung Krems und interimistischer Vorsitzender des Instituts für den Donauraum und Mitteleuropa, und PRO ORIENTE-Präsident Alfons M. Kloss würdigten in ihren Grußworten den Verstorbenen und seinen Einsatz für Frieden und Verständigung unter den Völkern, Kirchen und Religionen. Beide wiesen auch auf die in der Politik vielfach unterbelichtete Bedeutung der Religion für die Gesellschaft hin.
"Politiker dürfen keinen religiösen Analphabeten sein", sagte Kloss wörtlich. Er verwies in diesem Zusammenhang auf das Vorbild Erhard Buseks. Dieser habe ganz bewusst aus seinem christlichen Glauben heraus engagiert in die Gesellschaft hinein gewirkt und diese mitgestaltet.