Ökumene muss von der Kirchenbasis her gelebt werden
PRO ORIENTE und Wiener rumänisch-orthodoxe Antonius-Gemeinde luden in der "Langen Nacht der Kirchen" zur Podiumsdiskussion "Christinnen und Christen aus Ost und West miteinander unterwegs - Perspektiven für die Zukunft"
Wien, 05.06.23 (poi) Um die Gesellschaft auch in Zukunft mitgestalten zu können, gibt es für die Kirchen zur Ökumene keine Alternative. Das war der Grundtenor einer Podiumsdiskussion am Freitagabend, zu der die Stiftung PRO ORIENTE und die rumänisch-orthodoxe Antonius-Gemeinde in Wien im Rahmen der "Langen Nacht der Kirchen" geladen hatten. Unter dem Titel "Christinnen und Christen aus Ost und West miteinander unterwegs - Perspektiven für die Zukunft" diskutierten der Pfarrer und orthodoxe Theologe Prof. Ioan Moga, die Juristin Maria Piciu von der örtlichen rumänisch-orthodoxen Gemeinde, die Wiener katholische Liturgiewissenschaftlerin Christina Dietl und PRO ORIENTE-Generalsekretär Bernd Mussinghoff.
Deutlich wurde unter anderem, dass Ökumene nur dann gelingen kann, wenn sie von der Basis her erarbeitet und gelebt wird. Christina Dietl berichtete etwa von verschiedenen persönlichen ökumenischen Erfahrungen, u.a. beim Studium an der Aristoteles-Universität im griechischen Thessaloniki oder einem mehrmonatigen Aufenthalt in einem orthodoxen Frauenkloster im weißrussischen Minsk, das vor allem auch starke soziale Impulse setzte.
Maria Piciu verwies auf positive Erfahrungen mit der katholischen Loretto-Gemeinschaft, dem Opus Dei oder der katholischen Gemeinschaft Comunione e Liberazione. Dabei seien auch viele persönliche Freundschaften entstanden. In ihren persönlichen Beziehungen bemerke sie letztlich kaum Unterschiede zwischen orthodoxen und katholischen Freundinnen und Freunden.
Bernd Mussinghoff lernte die Ökumene u.a. in seiner mehrjährigen Tätigkeit im Heiligen Land kennen und schätzen und auch Pfr. Moga konnte auf viele ökumenische Erfahrungen, u.a. auch im Schweizer Benediktinerkloster Einsiedeln, verweisen. Der Tenor aller Diskutanten: Die intensive Auseinandersetzung mit der jeweils anderen Konfession habe nicht zu einer Verunsicherung, sondern ganz im Gegenteil zu einer persönlichen Bereicherung geführt und die Verwurzelung in der eigenen Konfession gestärkt.
Pfarrer Moga berichtete von guten Kontakten zu katholischen Pfarrgemeinden in der Umgebung. Es gebe auch schon viele konfessionsverschiedene Ehepaare. Zugleich sei es für viele Rumäninnen und Rumänen nicht einfach, sich mit ihrer Minderheitensituation in Österreich zurechtzufinden. Von Rumänien her seien sie gewohnt, zur Mehrheitskirche bzw. -gesellschaft zu gehören. "Und hier gibt es schon Momente, in denen man spürt, einer Minderheit anzugehören", drückte es Moga diplomatisch aus. Die entscheidende Frage sei, "wie man es schafft, trotzdem nicht frustriert oder enttäuscht zu sein".
Er plädierte zudem auch dafür, in der Ökumene den kulturellen Unterschieden wesentlich mehr Aufmerksamkeit zu widmen, "und zwar auf der ganz praktischen Ebene vor Ort bei den Menschen". In ethischen Fragen verträten orthodoxe Gläubige beispielsweise nicht selten andere Standpunkte als Angehörige anderer Kirchen in Österreich, so Moga.
Mussinghoff unterstrich zu diesem Punkt, dass seiner Erfahrung nach gerade bei ethischen Fragen die Unterschiede und Spannungen weniger zwischen den Kirchen, sondern vielfach auch innerhalb jeder einzelnen Kirche zu finden seien. Er sprach von der Gefahr von "Spaltpilzen". Dieser Gefahr müsse mit mehr Bemühen um Verständigung begegnet werden, so Mussinghoff.
PRO ORIENTE-Initiativen
Ein solcher Versuch sei sicher auch der PRO ORIENTE-"Summer Course", über den Dietl berichtete. Jedes Jahr setzen sich rund 20 Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler sowie ausgewiesene Theologinnen und Theologen aus verschiedenen Ländern und Konfessionen mit unterschiedlichsten Themen auseinander. Sowohl in den offiziellen Programmpunkten als auch in den persönlichen Begegnungen wachse die Vertrautheit mit den jeweils anderen, so Dietl.
Mussinghoff berichtete von den positiven Erfahrungen, die die Stiftung PRO ORIENTE bisher mit ihren Nahost-Jugendworkshops sammeln konnte. Dabei werden Jugendliche und junge Erwachsene aus verschiedenen Kirchen und Ländern darin begleitet und unterstützt, mehr Wissen über andere Kirchen zu erwerben, mehr Engagement in der ökumenischen Zusammenarbeit zu entwickeln, und entsprechende Netzwerke zu knüpfen. Aufgrund der bisherigen positiven Erfahrungen überlege die Stiftung derzeit, dieses Programm noch auszuweiten, so Mussinghoff.
Für Ökumene ständig arbeiten
Dass die rumänisch-orthodoxe Diaspora ökumenisch aufgeschlossener sei als die orthodoxe Kirche im Herkunftsland, stimmt laut Pfarrer Moga nur teilweise. Es sei beispielsweise oft auch eine Frage der Bildung. Ökumenische Aufgeschlossenheit sei jedenfalls keine Selbstverständlichkeit, sondern müsse beständig erarbeitet werden.
Auch Maria Piciu bemerkte in diesem Zusammenhang, dass etwa Kontakte zwischen den orthodoxen Kindern der Pfarre und gleichaltrigen katholischen Kindern keine Selbstverständlichkeit seien. Sie bemerke aber in den letzten Jahren eine positive Entwicklung. Nur so könne die Ökumene auch in der Zukunft wachsen. Piciu wünschte sich für die jungen Menschen in der Pfarre noch mehr Offenheit: "Wir haben noch Vieles voneinander zu lernen."
Christina Dietl regte in diesem Zusammenhang etwa auch gemeinsame ökumenische Aktivitäten von klein auf an. "Warum bringt man nicht einmal die Kinder der orthodoxen Sonntagsschule mit den Jungscharkindern zusammen?"
Ioan Moga sah vor allem auch in einer Vertiefung der Spiritualität ein gutes "ökumenisches Rezept". Je näher sich alle auf Christus als Zentrum des Glaubens zubewegten, desto näher komme man sich auch gegenseitig, zeigte sich der Priester überzeugt. Spiritualität sei letztlich wesentlich stärker als jede Kirchenpolitik, so Moga.