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Ökumene: Katholische und orthodoxe Theologinnen und Theologen reflektierten Kirchenspaltungen

Jahrestagung des Irenäus-Arbeitskreises in Paderborn - Renommiertes theologisches Forum besteht seit 20 Jahren

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Foto: Johann-Adam-Möhler-Institut

Paderborn, 10.10.24 (poi) Mit Schismen als innerkirchlichen Phänomenen hat sich der katholisch-orthodoxe Irenäuskreis in seiner aktuellen Arbeitssitzung (25. bis 29. September) beschäftigt. Die Vorträge dienten der Erarbeitung einer Typologie von Schismen, die sich der Arbeitskreis angesichts von Spaltungen innerhalb der Orthodoxen Kirche und einer zunehmenden Polarisierung innerhalb der Katholischen Kirche vorgenommen hat. Die Ergebnisse der Tagung wurden in einem Kommuniqué festgehalten.

Zum einen habe man sich mit Bewegungen mit schismatischer Tendenz beschäftigt, die sich nicht zu einem offenen Schisma entwickelt hätten. Zu den Beispielen aus dem 20. Jahrhundert in der orthodoxen Welt gehörten hier die Bewegung des Barmherzigen Samariters in Bulgarien und die theologischen Bruderschaften in Griechenland.

Zum anderen wurden auch Entwicklungen in den Blick genommen, die zu offenen Schismen geführt haben, zum Beispiel die so genannten "Altkalendarier". Der kirchenhistorische Hintergrund: Auf Empfehlung der Panorthodoxen Konferenz von 1923 beschlossen mehrere orthodoxe Kirchen, darunter das Ökumenische Patriarchat, den neuen überarbeiteten Julianischen Kalender zu übernehmen. Nach der Kalenderumstellung des griechischen Staates beschloss die Heilige Synode der Kirche von Griechenland 1924, dieser Entscheidung zu folgen. Dies führte in Griechenland zur Abspaltung der Altkalendarier, die bis heute andauert. Ähnliche schismatische Bewegungen entwickelten sich in anderen orthodoxen Kirchen, insbesondere in den Kirchen von Rumänien (nach 1924) und in Bulgarien (nach 1961).

Die Beweggründe für diese Schismen hätten sich jedoch weiterentwickelt und konzentrierten sich später auf Fragen der Lehre, insbesondere auf die Ablehnung ökumenischer Beziehungen, hielten dazu die Theologinnen und Theologen des Irenäuskreises fest. Diese Beispiele zeigten, "dass die eigentlichen Ursachen von Spaltungen oft andere sind als die vorgeblichen Rechtfertigungen und Beweggründe".

Das Beispiel der Altkalendarier zeige zudem, dass Schismen oft mit charismatischen Persönlichkeiten verbunden seien. Eine anfängliche Spaltung führe oft zu einer Vielzahl weiterer Abspaltungen, die mit Führungsfragen und zwischenmenschlichen Konflikten zusammenhingen. Eine politische Komponente gehe häufig "Hand in Hand mit nationalistischen und fundamentalistischen Tendenzen, persönlichem Ehrgeiz, einer Fokussierung auf Familiennetzwerke und Proselytismus unter den Gläubigen der kanonischen Kirche".

Besonderes Augenmerk legte der Arbeitskreis auch auf die Frage der Beziehungen zwischen Kirche und Staat. Insbesondere die Ablehnung einer zu engen Beziehung zum Staat sei oft der Grund für innerkirchliche Spaltungen, zum Beispiel bei den Altgläubigen in Russland (17. Jahrhundert), der Petite Église in Frankreich (18. Jahrhundert) oder dem Schisma auf Zypern (1972-1975). Ein Beispiel aus jüngerer Zeit sei die bulgarische Kirchenspaltung von 1992-1998, bei der es um die kirchliche Bewertung der kommunistischen Ära gegangen sei.

Der Staat könne eine bedeutende Rolle bei der Verschärfung von Schismen spielen, "insbesondere wenn er die Schismatiker rechtlich anerkennt", aber auch bei der Überwindung von Schismen, "wie im bulgarischen Fall geschehen", heißt es dazu im Kommuniqué.

Wahre und falsche Reformen

Um Spaltungen zu vermeiden, sei es essenziell, "zwischen wahren und falschen Reformen in der Kirche" zu unterscheiden, halten die Mitglieder des Arbeitskreises weiter fest: "Reformen in der Kirche sind mitunter notwendig, um Spaltungen zu vermeiden; andererseits kann eine falsch konzipierte und umgesetzte Reform ihrerseits zu einem Schisma führen."

Der Arbeitskreis verweist auf den französischen katholischen Theologen Yves Congar (1904-1995). Dieser habe vier Hauptbedingungen oder -kriterien für eine "wahre" Reform ohne Schisma genannt: Erstens den "Primat der Pastoral". Erfolgreiche Reformen seien solche, die "aus apostolischem Antrieb" durchgeführt wurden. Zweitens nennt Congar den "Primat der Gemeinschaft". Reformen müssten demnach das Gleichgewicht zwischen dem "Zentrum" und der "Peripherie" wahren.

Drittens gehe es um die "Beachtung der kirchlichen Zeit". Geduld sei weniger eine Frage der Chronologie als eine Frage der geistlichen Haltung, der Flexibilität des Geistes. Und viertens plädiere Congar für eine "Rückkehr zu den Quellen". Wahre Reformen zielten darauf ab, die Kirche durch die Rückkehr zu den Grundprinzipien zu erneuern, während falsche Reformen darauf abzielten, nicht fundierte Neuerungen durchzusetzen.

Wie es im Kommuniqué weiter heißt, seien Kirchenreformen eng mit der christlichen Einheit verbunden. Einerseits seien Kirchenreformen eine ökumenische Anforderung. Andererseits speise sich die Reform aus der Ökumene, wie schon Congar festgestellt habe. Die Mitglieder des Arbeitskreises halten fest: "Unsere ökumenische Arbeit besteht darin, zu verstehen, wie einige der Gegensätze zwischen unseren Traditionen, anstatt als Widersprüche betrachtet zu werden, wieder zu Manifestationen einer legitimen und komplementären Vielfalt theologischer Ausdrucksformen des gemeinsamen apostolischen Glaubens der Orthodoxen und der Katholischen Kirche werden können."

Der Irenäuskreis werde jedenfalls seine Arbeit an einer Typologie von Schismen durch weitere Studien fortsetzen, unter anderem über die russischen Altgläubigen sowie neuere Schismen und schismatische Tendenzen innerhalb der Katholischen Kirche, hieß es.

Primat und Synodalität

Der Irenäuskreis beschäftigte sich in Paderborn auch mit dem Alexandria-Dokument der Gemeinsamen Internationalen Kommission für den theologischen Dialog zwischen der Römisch-katholischen Kirche und der Orthodoxen Kirche aus dem Jahr 2023. Die Kommission hatte dabei auf ihrer Sitzung in Alexandria auch auf Vorarbeiten des Irenäuskreises zurückgegriffen. In beiden Texten, der Studie des Irenäuskreises und dem Dokument von Alexandria, werde bekräftigt, dass Primat und Synodalität nicht in Konkurrenz zueinander stehen, sondern sich ergänzen, so das Kommuniqué.

Der Irenäuskreis befürchtet allerdings, dass die Abwesenheit mehrerer orthodoxer Kirchen bei der Versammlung in Alexandria "bedauerlicherweise zu ernsten Schwierigkeiten hinsichtlich der Rezeption des Dokuments in der orthodoxen Welt führen wird". Darüber hinaus stelle die Tatsache, "dass sich verhältnismäßig viele Abschnitte des Dokuments mit Entwicklungen in der Katholischen Kirche und nicht mit jenen in der Orthodoxen Kirche befassen, ein Ungleichgewicht dar, das in gewisser Weise die historischen Umstände des zweiten Jahrtausends widerspiegelt". Es sei deshalb offenkundig, "dass weitere Auseinandersetzungen mit den aufgeworfenen Fragen erforderlich sein werden".

Abschied von Bischof Feige

Am Ende der Tagung verabschiedeten sich die Mitglieder des Arbeitskreises von Bischof Gerhard Feige (Magdeburg), der nach 20 Jahren von seiner Funktion als katholischer Ko-Präsident des Irenäuskreises zurücktrat. Die nächste Tagung wird auf Einladung des orthodoxen Ko-Präsidenten, Metropolit Grigorios Papathomas, in Peristeri (bei Athen) stattfinden.

Dem Irenäus-Arbeitskreis gehören orthodoxe und katholische Theologinnen und Theologen aus aller Welt an. Darunter sind aus Österreich der Liturgiewissenschaftler und Ökumene-Experte Prof. Basilius Jacobus Bert Groen, der Patrologe und Ostkirchen-Experte Prof. Pablo Argárate (beide Graz) und die in Regensburg lehrende österreichische Kirchenhistorikerin Prof. Andrea Riedl, die alle mit PRO ORIENTE eng verbunden sind. Die Mitglieder des Arbeitskreises werden nicht als Delegierte von ihren Kirchen entsandt, sondern aufgrund ihrer theologischen Kompetenz in den Arbeitskreis berufen. Das nächste Treffen des Irenäuskreises wird im Oktober 2025 in Peristeri (Griechenland) stattfinden.