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Kloss: "Der große Reichtum der christlichen Vielfalt ist in Rom sichtbar geworden"

PRO ORIENTE-Präsident zieht Resümee zur Tagung "Listening to the East - Synodality in Oriental Orthodox Church Traditions" - Beiträge zeigten vielfältiges Bild von Synodalität in den orientalisch-orthodoxen Kirchen

POI 221128

Foto: Pro Oriente

Rom/Wien, 28.11.22 (poi) "Der große Reichtum der christlichen Vielfalt ist in Rom sichtbar geworden." - Mit diesen Worten hat PRO ORIENTE-Präsident Alfons M. Kloss in seinem Schlusswort bei der Tagung "Listening to the East - Synodality in Oriental Orthodox Church Traditions" Resümee gezogen. Die Tagung war den synodalen Erfahrungen der orientalisch-orthodoxen Kirchen gewidmet und ist am Samstagabend in Rom zu Ende gegangen. Als orientalisch-orthodoxe Kirchen werden die Koptisch-orthodoxe, Armenisch-apostolische, Syrisch-orthodoxe, Malankara-Orthodoxe, Äthiopisch-orthodoxe und Eriträisch-orthodoxe Kirche bezeichnet. Ihnen gemeinsam ist, dass sie die drei ersten ökumenischen Konzilien (Nizäa 325, Konstantinopel 381 und Ephesus 431) anerkennen.

Kloss zeigte sich dankbar für die Bereitschaft der Bischöfe sowie der Theologinnen und Theologen der Schwesterkirchen, ihre Erfahrungen mit der Katholischen Kirche zu teilen. Zwei Aspekte seien für ihn bei dieser und auch den beiden vorangegangenen Tagungen deutlich geworden, so Kloss: "Wir teilen den gleichen Glauben und wir teilen aktuell die gleichen Probleme und Herausforderungen." Vom 23. bis 24. November hatte eine weitere Tagung die Erfahrungen der Kirchen der syrischen Tradition beleuchtet, Anfang November wurden die Erfahrungen der byzantinischen Orthodoxie präsentiert und diskutiert.

Für die Stiftung PRO ORIENTE sei es ein großes Privileg gewesen, so Kloss, diese Tagung gemeinsam mit dem Institut für Ökumenische Studien (IES) der Päpstlichen Universität St. Thomas von Aquin (Angelicum) durchzuführen. Das Angelicum war auch Tagungsort.

Den Eröffnungsvortrag am Freitag hatte der armenisch-apostolische Erzbischof Khajag Barsamian gehalten. Er führte in seinen Ausführungen in die synodalen Grundlagen aller sechs orientalisch-orthodoxen Kirchen ein. Die Koptisch-orthodoxe, Syrisch-orthodoxe, Armenisch-apostolische, Äthiopisch-orthodoxe, Eritreisch-orthodoxe und Indische Malankara-orthodoxe Kirche stünden in voller Kirchengemeinschaft, so der Bischof, bei gleichzeitiger völliger Eigenständigkeit (Autokephalie). Die Leitung der Kirchen liege in den Händen der jeweiligen Synoden, die Kirchenoberhäupter - seien sie als "Patriarch", "Katholikos" oder "Papst" bezeichnet - würden die höchste exekutive Autorität repräsentieren, vor allem in allen administrativen und disziplinären Angelegenheiten.

Barsamian erinnerte daran, dass die Vertreter der Kirchen nach Jahrhunderten der gegenseitigen Isolation erstmals 1965 in Addis Abeba zusammengekommen waren. Bei diesem historischen Treffen anerkannten sich die Kirchen gegenseitig als völlig gleichwertige, eigenständige Geschwisterkirchen. Auf der Konferenz wurden auch Beschlüsse im Blick auf die Arbeitsfelder der Bildung und Theologie sowie der ökumenischen Zusammenarbeit gefasst.

Die orientalischen Kirchen sähen die "Kirche" weniger als eine "Institution von außen", als vielmehr als Ausdruck einer starken Identifikation mit dem jeweiligen Volk. Das sei auch der genuine Ausdruck des frühen Kirchenverständnisses, so der armenische Bischof. Eine Ekklesiologie, wie sie in der westlichen Kirche bzw. Theologie entfaltet wurde und wird, sei den orientalischen Kirchen eigentlich fremd. Man könne sogar noch weiter gehen und sagen, dass die orthodoxe Tradition keine formale Definition von Kirche im westlichen Sinne kenne. "Die Kirche wird nicht als etwas verstanden, was getrennt von Gott, der Menschheit oder der Welt existiert", verdeutlichte der Bischof.

Die Kirche werde vielmehr bestimmt als Versammlung von Menschen, die von Gott berufen seien, in Einheit mit Gott und untereinander zu leben. Daher ließe sich diese soziale Natur der Kirche am besten im Bild des "Leibes Christi" bzw. des "mystischen Leibes Christi" ausdrücken. Alle Getauften gehörten gleichermaßen und gleichwertig zu diesem Leib Christi. Zusammen seien sie das Volk Gottes und liturgische Gemeinschaft. Auch alle Kleriker, von den Diakoninnen und Diakonen bis zu den Patriarchen, seien Teil dieses "Haushalts Gottes" und stünden nicht über den anderen Gläubigen.

Der Bischof erinnerte an das Pfingstereignis in Jerusalem und das vom Heiligen Geist durchdrungene Apostelkonzil einige Jahre später. Diese erste christliche Synode wurde zum zentralen Modell für die synodale Struktur der Kirche. Barsamian: "Das Prinzip von Synodalität ist das Wirken des Heiligen Geistes in der Gemeinschaft des Leibes Christi."

Die Erfahrungen der Koptisch-orthodoxen Kirche brachte bei der Konferenz Bischof Anba Kyrillos ein, Fr. Daniel Seifemichael Feleke berichtet aus der Äthiopisch-orthodoxen Kirche. Weitere Vorträge hielten Bischof Theophilose Kuriakose von der Malankara Syrisch-orthodoxen Kirche, die armenische Theologin Ani Ghazaryan Drissi, der armenisch-apostolische Bischof Armash Nalbandian und der Theologe Prof. Baby Varghese von der Malankara Orthodox-syrischen Kirche. Workshops über Erfahrungen von Synodalität mit Blick auf die Jugend, Frauen, Laien und das monastische Leben rundeten das zweitägige Programm ab.

Koch würdigt PRO ORIENTE-Konferenz

Kardinal Kurt Koch, Leiter des vatikanischen Dikasteriums zur Forderung der Einheit der Christen, hatte in einem an die Teilnehmenden überbrachten Grußwort die herausragende Bedeutung der Konferenz betont. Während man über die Ekklesiologie der (byzantinischen) Orthodoxie gut Bescheid wisse, könne man selbiges über die Orientalisch-orthodoxen Kirchen nicht behaupten. Diese Konferenz sei die erste derartige zur Synodalität in den orientalisch-orthodoxen Traditionen, betonte Koch. Und er räumte ein, dass man in der Katholischen Kirche noch relativ wenig wisse über Synodalität in diesen Kirchen, und noch weniger über die synodalen Interaktionen zwischen den Kirchen.

Synodalität sei nichts Neues, sondern im Gegenteil: Die Erfahrungen der orientalischen Kirchen zeigten, dass Synodalität das Herzstück des kirchlichen Lebens dieser Kirchen seit jeher sei und auch durch schwierige Zeiten hindurch bewahrt wurde. Man könne wohl behaupten, so Kardinal Koch, dass gerade die Synodalität auch dazu beigetragen habe, dass diese Kirchen bestehen konnten.

Beeindruckende Glaubensstärke

Kardinal Christoph Schönborn, Kuratoriumsvorsitzender der Stiftung PRO ORIENTE, zeigte sich in seinem von Präsident Kloss verlesenen Grußwort beeindruckt von der Glaubensstärke der orientalisch-orthodoxen Christen. Seit den frühesten Zeiten hätten diese den christlichen Glauben bezeugt und verbreitet; von Afrika bis zum Kaukasus, vom Mittelmeer bis in ferne Teile Asiens. In Vergangenheit und Gegenwart würden die Gläubigen dieser Kirchen unter teils widrigen Umständen ihren Glauben leben. Zugleich stünden sie untereinander in voller Kirchengemeinschaft. In diesem Zusammenhang lebten und praktizierten die sechs orientalisch-orthodoxen Kirchen Synodalität auch auf vielfältigere Weisen als weithin bekannt sei, so Schönborn.

Die Ergebnisse dieser und der beiden vorangegangenen Konferenzen werden in Form eines Dokumentarfilms präsentiert, der in verschiedenen Sprachen produziert und im Fernsehen ausgestrahlt wird. Zusätzlich wird ein Tagungsband in Buchform veröffentlicht.

Das Projekt steht unter der gemeinsamen Schirmherrschaft von zwei vatikanischen Körperschaften: dem Dikasterium zur Förderung der Einheit der Christen und dem Generalsekretariat der Synode, an das die Tagungsergebnisse in synthetisierter Form übermittelt werden, so dass diese Ergebnisse möglichst gut für die bis 2024 laufende Synode fruchtbar gemacht werden können.

Infos: www.pro-oriente.at