Pro Oriente
News / Hochkarätige Ausstellung im Wiener Mechitaristenkloster

Hochkarätige Ausstellung im Wiener Mechitaristenkloster

Die Schau "Von Karabach nach Wien. Das armenische Kulturerbe im Wiener Mechitaristenkloster" ist noch bis in den Herbst hinein zu sehen.

POI20220725

Zumindest noch bis in den Herbst hinein ist die Sonderausstellung "Von Karabach nach Wien. Das armenische Kulturerbe im Wiener Mechitaristenkloster" zu sehen. In der Ausstellung im Mechitaristenkloster (Mechitaristengasse 4, 1070 Wien) wird das armenische Kulturerbe von Artsach präsentiert. Die Ausstellung entstand in Zusammenarbeit der Wiener Mechitaristen mit u.a. der Abteilung Armenologie des Zentrums zur Erforschung des Christlichen Ostens der Universität Salzburg, insbesondere mit deren Leiterin, der Armenien-Expertin Jasmine Dum-Tragut. Die ehemals autonome armenische Region Berg-Karabach (Artsach) existiert zum Teil nicht mehr. Seit dem Krieg im Herbst 2020, als Aserbaidschan große Teile des Gebietes eroberte, befinden sich mehr als 1.400 vornehmlich armenische Kulturdenkmäler unter aserbaidschanischer Kontrolle. Dazu gehören so bedeutende christliche Stätten wie die Kathedrale von Sushi oder das Kloster Dadivank.

Die Ausstellung in Wien basiert auf vier Säulen: Das materielle Erbe Artsachs wird in Form "gebauten, geschriebenen, gedruckten und geknüpften Kulturerbes" vermittelt. Abbildungen veranschaulichen Kirchen und Klöster von Artsach und umliegenden Regionen, wie die Georgskirche von Tsitsernavankh (5. bis 6. Jahrhundert) und die All-Erlöserkathedrale von Sushi (1868).

Handgeschriebene Bücher, die größtenteils aus dem 13. bis 18. Jahrhundert stammen, bezeugen die armenische Kulturtradition in Artsach. Eine der Handschriften wurde in der Kirche von Gandzak (Ganja) verfasst, einst ein Zentrum für Armenier, Turkvölker, Kaukasier, heute eine aserbaidschanische Stadt. Die gezeigten gedruckten Bücher stammen vornehmlich aus Sushi, wo nach Tiflis und Etschmiadzin die dritte Druckerei im damals russisch regierten Südkaukasien entstand.

Schließlich umfasst die Artsach-Ausstellung 14 armenische Teppiche mit Vogel- und Blumenmustern, mit Kreuzblütenmedaillons, sowie Drachen- und Schlangenteppiche. Die Herkunft der Teppiche lässt sich klar an den armenischen Schriftzeichen, dem Farbenspiel und der christlichen Symbolik ablesen. Die Schätze aus Karabach bzw. Artsach gelangten auf unterschiedliche Weise nach Wien.

Artsach gilt als historisches Siedlungsgebiet im antiken großarmenischen Reich und bildete die östlichste Bastion armenischer Kultur und Religion. Die dortigen Fürsten behielten über viele Jahrhunderte ihre Souveränität. Regionale Traditionen und Dialekte bereicherten die armenische Kultur.

"Kulturgut der gesamten Menschheit"

Die Wiener Mechitaristen und Univ.-Doz. Dum-Tragut rufen dazu auf, sich für das bedrohte armenische Kulturgut Artsachs einzusetzen. Dieses sei weit mehr als nur das Kulturgut eines kleinen Volkes im Südkaukasus, "es ist Kulturgut der gesamten Menschheit", so Dum-Tragut. Armenien dürfe in dieser schwierigen Aufgabe nicht allein gelassen werden.

Die internationale Aufmerksamkeit für den "Kulturkampf" um Berg-Karabach ist derzeit nicht sehr hoch, auch wenn wichtige Institutionen sich bereits mit Nachdruck geäußert haben. Im Dezember 2021 befand der Internationale Strafgerichtshof, dass Aserbaidschan "alle nötigen Maßnahmen ergreifen" müsse, um "Vandalismus und die Entweihung armenischer Kulturstätten zu verhindern und bestrafen". Auch die UNESCO hat ihre Sorge um kulturelle Stätten zum Ausdruck gebracht. Bemühungen, eine UNESCO-Mission nach Berg-Karabach zur Inspektion der Kulturstätten zu entsenden, blieben jedoch bisher erfolglos.

Univ.-Doz. Dum-Tragut ist neben ihrer Tätigkeit als Leiterin des "Zentrums zur Erforschung des Christlichen Ostens" (ZECO) an der Universität Salzburg auch wissenschaftliche Beraterin und Mitarbeiterin im "Mother See of Holy Etchmiatzin's office for Artsakh Spiritual-Cultural Heritage Issues". Vor kurzem wurde ihr ein Ehrendoktorat der Staatlichen Universität Jerewan verliehen – die höchste wissenschaftliche Auszeichnung der renommierten Universität, die nur in Ausnahmefällen an ausländische, nicht-armenische Forscher verliehen wird. Dum-Tragut erhielt zudem nur wenige Tage später auch den Verdienstorden der Technischen Universität Jerewan. Sie engagiert sich auch bei der Stiftung PRO ORIENTE, u.a. als Konsultorin und als Mitglied im Arbeitsausschuss der Salzburger Sektion.