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Wien: Ökumenisches Gipfeltreffen im Erzbischöflichen Palais

PRO ORIENTE-Festakt zum 30-Jahr-Jubiläum der Unterzeichnung der "Gemeinsamen Erklärung zur Christologie"zwischen der Katholischen und Assyrischen Kirche - Kardinal Schönborn und der assyrische Patriarch Mar Awa III. bekräftigen Bekenntnis zu verstärkten Schritten hin zur Kircheneinheit

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Wien, 12.11.24 (poi) Am 11. November 1994 unterzeichneten Papst Johannes Paul II. und der assyrische Patriarch Mar Dinkha IV. die "Gemeinsame Erklärung zur Christologie", die aussagt, dass beide Kirchen eins sind im Bekenntnis desselben Glaubens an Jesus Christus. Aus Anlass des 30-jährigen Jubiläums dieses ökumenischen Ereignisses fand Montagnachmittag im Wiener Erzbischöflichen Palais ein Festakt statt, zu dem Kardinal Christoph Schönborn den assyrischen Patriarchen Mar Awa III. begrüßen konnte. Organisiert wurde die Veranstaltung von der Stiftung PRO ORIENTE.

Kardinal Schönborn betonte in seiner Begrüßung, dass mit der Erklärung vor 30 Jahren ein wichtiger und fruchtbarer Schritt zur Einheit der Kirchen gelungen war. "Jeder noch so kleine Schritt zur Einheit ist wichtig", so Schönborn wörtlich. Es sei eigentlich traurig, dass gerade die Diskussionen über Jesus Christus die Kirche in den ersten Jahrhunderten gespalten hätten. Nun gelte es, die Kirchen wieder zusammenzubringen, ein Vorhaben, dem sich die Stiftung PRO ORIENTE seit 60 Jahren verschrieben habe. Es brauche Demut, das Eingestehen des jeweils eigenen Versagens und den Willen, weitere Schritte aufeinander zuzugehen, so der Kardinal.

In ihren Grußworten betonten Kultusamt-Leiter Florian Welzig und der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich, Bischof Tiran Petrosyan von der armenisch-apostolischen Kirche, die Bedeutung von bilateralen Übereinkünften zwischen einzelnen Kirchen auch für die Sichtbarkeit von deren gemeinsamem Zeugnis im Dienste des Gemeinwohls sowie auch für die Förderung der ökumenischen Zusammenarbeit insgesamt. Auch PRO ORIENTE-Präsident Alfons Kloss hielt in seinem Schlusswort die Wichtigkeit der Gemeinsamen Erklärung zur Christologie sowie der seither guten Zusammenarbeit zwischen Assyrischer und Katholischer Kirche für die Glaubwürdigkeit des gemeinsamen christlichen Zeugnisses in einer säkularer werdenden Welt fest.

Neue ökumenische Perspektiven

Zweifelsohne seien die Ereignisse vor 30 Jahren vom Heiligen Geist geleitet worden, zeigte sich Patriarch Mar Awa in seiner Festrede überzeugt. Seit dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 1960er Jahren, bei dem die Assyrische Kirche mit Beobachtern vertreten war, hätten die Beziehungen zwischen der Assyrischen und Katholischen Kirche etwas an Fahrt aufgenommen, doch durch die Erklärung von 1994 hätten sich dann neue ökumenische Perspektiven eröffnet. Das größte dogmatische Problem zwischen der Katholischen und Assyrischen Kirche konnte gelöst werden, so der Patriarch.

Erst am vergangenen Samstag war Patriarch Mar Awa III. im Vatikan von Papst Franziskus empfangen worden. Dass der Papst an diesem Tag beschloss, einen der bekanntesten und beliebtesten Heiligen der Assyrischen Kirche, den hl. Isaak von Ninive, in das römische Martyrologium aufzunehmen, wertete der Patriarch als bedeutendes ökumenisches Zeichen. "Die Heiligen bringen uns einander näher und auch näher zur Einheit, anstatt uns zu trennen", zeigte sich der Patriarch überzeugt. Auch das 30-Jahr-Jubiläum der "Gemeinsamen Erklärung" war Thema der Unterredung der beiden Kirchenoberhäupter, die zuvor auch in Rom in einer akademischen Veranstaltung gewürdigt wurde.

Ökumenischer Meilenstein 1994

Der Salzburger Ostkirchenexperte Prof. Dietmar Winkler erläuterte in seinem Vortrag beim Festakt die vielfältigen politischen und theologischen Umstände, Konfrontationen bzw. auch Missverständnisse, die dazu führten, dass die Assyrische Kirche des Ostens ab dem 5. Jahrhundert gleichsam vom Rest der Kirche ausgeschlossen wurde. Winkler sprach von "fatalen und ungerechten Perspektiven", wonach die Kirche des Ostens der Häresie bezichtigt wurde. "Die Assyrische Kirche wurde isoliert und allein gelassen, wobei das unglaublich reiche liturgische und spirituelle Erbe ignoriert wurde, das sich auf faszinierende Weise mit den Kulturen des Nahen Ostens und Asiens verband."

Winkler erinnerte auch an die lange Leidensgeschichte der Assyrischen Kirche. Die Invasion des Mongolenführers Timur Lenk und die Verfolgung aller fremden Religionen in China im 14. Jahrhundert hätten die Kirche des Ostens zum ersten Mal stark dezimiert. Unter den traumatischen Deportationen während des Ersten Weltkriegs durch Türken und Kurden des Osmanischen Reiches, die die Ostsyrer der Kollaboration mit den Briten verdächtigten, geriet die Kirche des Ostens zu Beginn des 20. Jahrhunderts an den Rand der Auslöschung.

Leider sei die Kirche bis heute von einigen ökumenischen Institutionen ausgeschlossen, kritisierte Winkler. So habe sie seit mehreren Jahrzehnten nicht dem Nahost-Kirchenrat beitreten können, weil einige Kirchen immer noch ihre Aufnahme blockierten. Damit sei die Assyrische Kirche u.a. auch von verschiedenen kirchlichen Hilfsprojekten ausgeschlossen, bedauerte Winkler. Umso mehr wolle er betonen: "Die Beseitigung des christologischen Häresievorwurfs auf der Grundlage gründlicher historisch-dogmatischer Forschung war dringend notwendig, um diese ehrwürdige Kirche wieder in das ökumenische Konzert einzubringen".

Die "Gemeinsame Christologische Erklärung" von 1994 sei ein Meilenstein, so Winkler. Mit der Erklärung würden unterschiedliche Ausdrucksformen des Glaubens akzeptiert, solange sie inhaltlich übereinstimmen. Umstrittene Begriffe würden nicht als gegensätzlich betrachtet. Diese theologische Tendenz - die Substanz im Glauben zu erfassen - habe sich nun auch im offiziellen assyrisch-katholischen Dialog fortgesetzt, insbesondere in einer Erklärung zu den Sakramenten. Und PRO ORIENTE mit seinem Dialog aller Kirchen der syrischen Tradition unterstütze dies mit wesentlichen Beiträgen und bringe auch die Assyrische Kirche des Ostens in eine solide Beziehung zu ihren Schwesterkirchen der orientalisch-orthodoxen und katholischen syrischen Tradition. Dies ermögliche einen "Pluralismus der liturgischen Riten, theologischen Begriffe und Ansätze".

Prof. Winkler ist u.a. Vorsitzender der Salzburger PRO ORIENTE-Sektion, Dekan der Katholisch-theologischen Fakultät der Universität Salzburg und wissenschaftlicher Leiter des PRO ORIENTE-Forum Syriacum. Sein ökumenisches Resümee zum 30-Jahr-Jubiläum der "Gemeinsamen Erklärung": "Wir haben noch einen langen Weg vor uns, aber wir sind auf dem richtigen Weg. Und als Freunde ist es leichter, gemeinsam voranzukommen.

Wendepunkt in der Ökumene

Die Unterzeichnung der Christologischen Erklärung war ein Wendepunkt in der Ökumene, unterstrich in seinem Grußwort der armenisch-apostolische Bischof Tiran Petrosyan als Vorsitzender des Ökumenischen Rats der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), dem 17 unterschiedliche Kirchen angehören. Damit sei es zwei kirchlichen Traditionen ermöglicht worden, einander näher zu kommen, Verständnis füreinander zu entwickeln und die Einheit zu suchen. "In einer Welt, in der oft Spaltung und Missverständnisse vorherrschen, ist es von entscheidender Bedeutung, dass wir uns als gläubige Christen weiterhin für den Dialog und die Einheit einsetzen", so Petrosyan wörtlich. Mit der Veranstaltung in Wien werde nicht nur ein historisches Jubiläum gefeiert, "sondern wir erneuern auch unsere Verpflichtung zur Einheit in Christus", so Bischof Petrosyan. Das Grußwort des Bischofs, der sich derzeit in Armenien aufhält, wurde von der methodistischen Pastorin Esther Handschin verlesen, die Mitglied des ÖRKÖ-Vorstands ist.

Kirchen haben Vorbildwirkung

Der Leiter des Kultusamts, Florian Welzig, unterstrich in seinem Grußwort im Blick auf die Ökumene, dass die Kirchen Vorbild für ein friedliches Miteinander in der Gesellschaft seien. Er würdigte in diesem Zusammenhang auch die Arbeit von PRO ORIENTE. Die Stiftung bringe seit Jahrzehnten unterschiedliche Kirchen zusammen. Das brauche es heute so dringend wie vielleicht nie zuvor, so Welzig.

PRO ORIENTE-Präsident Alfons Kloss wies in seinen Worten auf die langjährige Verbundenheit des Patriarchen mit der Stiftung hin. Mar Awa war vor seiner Wahl zum Patriarchen viele Jahre lang Mitglied des Forum Syriacum. "Wir betrachten Sie in der Tat als einen engen Freund!", so Kloss wörtlich in Richtung des Patriarchen. In der gegenwärtigen zerbrechlichen Welt von heute, die von Krisen, Konflikten und Kriegen geprägt ist, seien die Christen aufgerufen, sich ihrer gemeinsamen christlichen Identität bewusster zu werden und den miteinander geteilten Glauben in den Gesellschaften zu bezeugen. "Lasst uns gemeinsam beten, gemeinsam gehen und gemeinsam arbeiten", zitierte Kloss ein Wort von Papst Franziskus.

PRO ORIENTE-Projektreferentin Viola Raheb stellte beim Festakt das neue PRO ORIENTE-Toolkit "Dem Osten zuhören" vor, das aus einer Broschüre und einem Kurzfilm über Synodalität in den Ostkirchen besteht. Die Stiftung will damit einem breiten Publikum die Kirchen des Ostens näherbringen. Der Dokumentarfilm ist online abrufbar. Ein Trailer des Films wurde beim Festakt ebenfalls gezeigt. Musikalisch gestaltet wurde der Festakt von Sängern und Musikern der westsyrischen und ostsyrischen Traditionen.

Am heutigen Dienstag besuchte Patriarch Mar Awa III. mit seiner Delegation das PRO ORIENTE-Büro in der Wiener Hofburg zu einem Gedankenaustausch, an dem neben Präsident Alfons Kloss auch Finanzvorstand Gordian Gudenus, Generalsekretär Bernd Mussinghoff und Projektreferentin Viola Raheb teilnahmen. Der Leiter des Kultusamts, Florian Welzig, nahm an dem Gespräch, in dem auch die Frage nach dem rechtlichen Status der Assyrischen Kirche des Ostens in Österreich thematisiert wurde, ebenfalls teil.

Infos: www.pro-oriente.at