Volkszählung: Orthodoxe Kirche in Tschechien zweitgrößte Konfession
Die Orthodoxe Kirche ist in Tschechien zur zweitgrößten Konfession angewachsen. Das geht aus der Volkszählung von 2021 hervor, die dieser Tage veröffentlicht wurde. Demnach zählt die "Orthodoxe Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei" 40.681 Gläubige in der Tschechischen Republik. Weitere 497 Personen identifizierten sich als Gemeindemitglieder der Vertretungskirche des Moskauer Patriarchats in Karlovy Vary (Karlsbad). Die Volkszählung von 2011 hatte damals nur 20.533 Orthodoxe ergeben. Die Orthodoxie hat damit die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder (32.577) und die Tschechoslowakische Hussitische Kirche (23.610) überholt, die bis zu diesem Jahr die Plätze zwei und drei belegten. Der orthodoxe Aufstieg im Ranking ist dabei neben dem eigenen Wachstum vor allem auch den schwindenden Zahlen der Evangelischen und Hussitischen Kirche geschuldet.
Der Hauptgrund für das Wachstum der Orthodoxen Kirche sieht der tschechische Theologe Jakub Jiří Jukl laut dem Info-Portal "orthochristian" vor allem in der früheren Zuwanderung orthodoxer Gläubiger aus der Ukraine und anderen postsowjetischen Ländern. Viele dieser Einwanderer seien schon seit Jahrzehnten in der Tschechischen Republik und hätten auch die tschechische Staatsbürgerschaft, in den Familien werde aber der Glaube weiterhin gelebt, im Unterschied zum sonstigen Trend in Tschechien.
Die Konfessionszahlen für die Tschechische Republik befinden sich freilich insgesamt auf recht niedrigem Niveau. Bei einer Gesamtbevölkerung von 10,5 Millionen Menschen bekannten sich bei der erstmals elektronisch durchgeführten Volkszählung 13,1 Prozent zu einer Kirche oder Religionsgemeinschaft, 9,1 Prozent deklarierten sich als gläubig, ohne sich einer Glaubensgemeinschaft zuzurechnen. 47,8 Prozent bezeichneten sich als ungläubig und 30,1 Prozent machten keine Angaben. Zur Katholischen Kirche bekannten sich 741.000 Gläubige. Die Frage nach der Gläubigkeit war wie schon bei der Volkszählung von 2011 freiwillig zu beantworten.
Die Evangelische Kirche der Böhmischen Brüder, die größte Kirche der Reformation in der Tschechischen Republik, musste einen dramatischen Einbruch hinnehmen. Im Jahr 1991 bekannten sich zu ihr noch 203.006 Personen, 2011 noch 51.858, nunmehr aber nur 32.577. In ihrer eigenen Kartei führt die Kirche jedoch 64.010 Mitglieder aller Alterskategorien. Ebenso dramatisch scheint die Entwicklung bei der Hussitischen Kirche, der sich 1991 noch 178.036 und 2011 noch 39.229 Tschechen zurechneten, jetzt nur mehr 23.610. Experten sehen in den dramatischen Rückgängen aber eher keine weitere Zunahme der Säkularisierung, sondern auch ungenaue Angaben bei den Volkszählungen.
Tschechoslowakische Orthodoxie
Die Geschichte der "Orthodoxen Kirche der Tschechischen Länder und der Slowakei" beginnt in den 1860er-Jahren, als die Orthodoxie, damals noch ohne eigene Strukturen, in Tschechien immer mehr Zulauf erhielt. U.a. schlossen sich auch immer mehr Katholiken an. Auch viele Priester konvertierten. So wurde 1874 die erste orthodoxe Gemeinde in Prag gegründet, die 1883 der Metropolie von Cernowitz (Ukraine) unterstellt wurde; weitere folgten.
Anfangs wurden diese jungen Gemeinden von Geistlichen aus Russland betreut, die als Seelsorger für die russischen Kurgäste bereits im Land waren. Doch nachdem sich 1904 eine große Gruppe von tschechischen Altkatholiken und später nach dem Ende des Ersten Weltkriegs viele Katholiken der Orthodoxie anschlossen, unterstellte sich ein Teil der Gläubigen dem Ökumenischen Patriarchen von Konstantinopel, ein anderer dem Serbischen Patriarchen.
Die Zahl der orthodoxen Christen in der Tschechoslowakei schrumpfte nach dem Zweiten Weltkrieg von 145.000 auf 40.000 Mitglieder zusammen, da Transkarpatien von der Sowjetunion annektiert wurde, wo der Großteil der Gläubigen beheimatet war. Die verbliebenen Gläubigen auf dem Gebiet der Tschechoslowakei konstituierten sich 1946 neu und unterstellten sich dem Schutz des Moskauer Patriarchats, welches 1951 diese Kirche in die Autokephalie entließ.
Die Orthodoxe Kirche in der Tschechoslowakei hatte - wie auch die anderen Kirchen - während der Zeit der kommunistischen Herrschaft einen schwierigen Überlebenskampf durchzustehen, da fast ihr gesamtes Kirchengut von staatlicher Seite enteignet wurde. Mit dem Revolutionsjahr 1989 konnte die Kirche sich neu formieren. Die Trennung der Tschechoslowakei in zwei souveräne Staaten 1993 führte zur Bildung je einer eigenen Kirchenprovinz für Tschechien und für die Slowakische Republik. Das gemeinsame Oberhaupt beider Metropolitanprovinzen (Prag und Prešov) sitzt in Prag.
Der theologische Nachwuchs wird jedoch seit 1997 an der Orthodoxen Theologischen Fakultät der neu gegründeten Universität in Prešov (Ost-Slowakei) ausgebildet. Seit September 1998 wird auch vom Ökumenischen Patriarchat von Konstantinopel die Orthodoxe Kirche von Tschechien und der Slowakei als autokephale Kirche anerkannt
In der Slowakei machen die Orthodoxen laut der letzten Volkszählung rund 0,9 Prozent der Bevölkerung aus. In absoluten Zahlen: 50.677 Personen bekannten sich zur Orthodoxen Kirche.