Ukrainer in Österreich wollen "Stimme der Wahrheit" sein
Taras Chagala, Leiter der griechisch-katholischen Zentralpfarre St. Barbara in Wien, im PRO ORIENTE-Magazin über die Hilfe für die Ukraine, die Integration der nach Österreich geflüchteten Ukrainer und die knapp 250-jährige Geschichte der Zentralpfarre
Wien, 10.05.24 (poi) Die Ukrainische Griechisch-katholische Kirche in Österreich sieht es als ihre besondere Aufgabe an, Trost und Unterstützung für die kriegsvertriebenen Ukrainerinnen und Ukrainer zu bieten und gleichzeitig "die Stimme der Wahrheit in der Öffentlichkeit Österreichs zu erheben". Das betont Pfarrer Taras Chagala, Leiter der griechisch-katholischen Zentralpfarre St. Barbara in Wien, in der aktuellen Ausgabe der PRO ORIENTE-Magazins. "Wir dürfen nicht zulassen, dass die Ukraine allein mit einem gewalttätigen Feind wie dem heutigen Russland gelassen wird", so Chagala.
Fast alle Mitglieder der Zentralpfarre hätten enge Verbindungen zur Ukraine und seien persönlich von den Ereignissen betroffen. "Die Nachrichten über Gewalt und Zerstörung in der Ukraine treffen uns schwer und rufen nach einer solidarischen Antwort", betont der Pfarrer: "Unsere Gemeinde ist bestrebt, ihren Teil zur Linderung des Leids beizutragen und gleichzeitig für eine gerechte und friedliche Lösung des Konflikts einzutreten. (...) Wir beten für ein gerechtes Ende des Krieges in der Ukraine und unterstützen humanitäre Hilfsmaßnahmen für die betroffenen Menschen. Gleichzeitig bemühen wir uns darum, die Gemeinschaft zu stärken und ein Ort der Hoffnung und des Trostes für alle zu sein, die unter den Auswirkungen des Krieges leiden."
Die griechisch-katholische Zentralpfarre feiert 2025 ihr 250-Jahr-Jubiläum. Im Jahr 1775 wurde eine Rektoratskirche von Maria Theresia an die griechisch-katholische Gemeinde übergeben. 1784 wurde die Pfarre unter Kaiser Josef II. offiziell gegründet. Chagala: "In den Anfangsjahren bestand die Gemeinde hauptsächlich aus Gläubigen, die aus Siebenbürgen und Kroatien zugewandert waren. Später kamen auch Gläubige aus Galizien und der Bukowina hinzu, die hier ihre spirituelle Heimat fanden." Im Laufe der Zeit sei die Gemeinde gewachsen und habe sich "zu einer lebendigen und vielfältigen Gemeinschaft entwickelt, die Menschen aus verschiedenen kulturellen und nationalen Hintergründen zusammenführt".
In den vergangenen 15 Jahren habe die Pfarre allerdings nochmals besonders bedeutende Veränderungen durchlebt, sowohl in Bezug auf ihre Größe als auch Zusammensetzung. Chagala: "Wir haben einen deutlichen Anstieg der Mitgliederzahl erlebt, nicht nur infolge des Ausbruchs des Krieges in der Ukraine, sondern kontinuierlich. Während vor 15 Jahren sonntags etwa 100 Personen an den Gottesdiensten teilnahmen, sind es heute ca. 500."
Früher seien die meisten Mitglieder in Wien nach dem Zweiten Weltkrieg geborene Österreicher ukrainischer Abstammung gewesen, heute seien es vor allem junge ukrainische Zugewanderte, berichtet der Pfarrer: "Diese Veränderung hat unsere Gemeinde noch vielfältiger gemacht und uns neuen Herausforderungen und Chancen gegenübergestellt. Um diesen Entwicklungen gerecht zu werden, haben wir uns den aktuellen pastoralen Bedürfnissen angepasst und das Engagement für die Integration und Unterstützung von Migranten und Kriegsvertriebenen verstärkt."
Chagala weiter: "Die überwiegende Mehrheit unserer Mitglieder in Wien sind Ukrainer. Außerdem ist die Gemeinde jung. Dies zeigt sich auch darin, dass das Durchschnittsalter unserer Pfarrgemeinderäte lediglich 33 Jahre beträgt. Auch deswegen ist unsere Pfarrgemeinde von Vielfalt und Offenheit geprägt."
Für ganz Österreich zuständig
Chagala erläutert im Interview zudem, was es mit dem Status der "Zentralpfarre" auf sich hat: "Eigentlich sollten wir, als eine Ritus-Gemeinde, einen eigenen Bischof haben. Aufgrund der begrenzten Anzahl griechisch-katholischer Gläubiger in Österreich wurde jedoch der Status der Zentralpfarre eingeführt. Dies bedeutet, dass unsere Pfarre das gesamte Gebiet der Republik Österreich umfasst und für alle griechisch-katholischen Gläubigen unabhängig von ihrer Nationalität zuständig ist."
In letzter Zeit habe der Generalvikar der katholischen Ostkirchen, Yuriy Kolasa, die meisten Aufgaben der administrativen Betreuung und der Organisation der Seelsorge in Österreich übernommen. Dennoch bleibe die Zentralpfarre weiterhin für eine zentrale Führung der Matriken in ganz Österreich verantwortlich. "Wenn beispielsweise ein ukrainisches griechisch-katholisches Paar in Tirol ihr Kind taufen lassen möchte, wird die Taufe vor Ort organisiert, aber die Eintragung erfolgt in Wien, bei uns", erläutert Chagala und weiter: "Wir tragen also eine größere Verantwortung nicht nur für die Seelsorge und das geistliche Leben in unserer eigenen Wiener Gemeinde, sondern auch für die Koordination und Unterstützung anderer griechisch-katholischer Seelsorgestellen in Österreich."
Man arbeite auch eng mit anderen Gemeinden zusammen, um pastorale Initiativen zu entwickeln und das Bewusstsein für die byzantinische Tradition innerhalb der katholischen Kirche zu fördern. Gegenwärtig gebe es ukrainische, rumänische, ungarische, slowakische, syrische und deutschsprachige Gemeinden in allen Teilen Österreichs.