Synodaler Prozess im Nahen Osten: Zweiter ökumenischer PRO ORIENTE-Jugendworkshop in Jordanien
PRO ORIENTE brachte in Madaba gemeinsam mit der "We Choose Abundant Life"-Gruppe 21 junge Erwachsene aus Jordanien, dem Irak und Ägypten zusammen
PRO ORIENTE und die ökumenische Gruppe "We choose abundant life" veranstalteten Anfang Mai in Jordanien einen Jugendworkshop zum Thema Synodalität, an dem 21 junge Menschen aus verschiedenen Ländern und Kirchen teilnahmen. Im Mittelpunkt der dreitägigen Veranstaltung in Madaba standen dabei Möglichkeiten eines verstärkten kirchlichen und zivilgesellschaftlichen Engagements junger Menschen in ihren Heimatländern. Die Frauen und Männer im Alter zwischen 18 und 28 Jahren stammen aus Jordanien, dem Irak und Ägypten. Sie gehören acht christlichen Kirchen an (römisch-katholisch, melkitisch, chaldäisch, maronitisch, syrisch-orthodox, koptisch-orthodox, anglikanisch und lutherisch) und engagieren sich in ihren eigenen Kirchen in der Jugendarbeit und im Gemeindeleben.
Mit dabei war für PRO ORIENTE die Projektverantwortliche Viola Raheb. Der Workshop war der zweite einer Reihe von mehreren Workshops in verschiedenen Ländern des Nahen Ostens. „Der Workshop war ein wichtiger Schritt hin zu mehr ökumenischer Formation und Bildung christlicher Jugend in Jordanien“, betonte Raheb im Anschluss. Die Mehrheit der Jugendlichen, und das sei für beide Veranstalter überraschend gewesen, sei zwar in ihren eigenen Kirchen sehr engagiert, hätte aber kaum Erfahrungen in ökumenischer Zusammenarbeit gehabt. Für die Mehrheit sei es die erste Zusammenkunft in einer ökumenischen Gruppe gewesen.
Drei Tage lang beschäftigten sich die jungen Menschen mit dem synodalen Prozess, zu dem Papst Franziskus eingeladen hat, sowie mit dem Dokument "We choose abundant life" (Wir wählen ein Leben in Fülle). Das Dokument wurde im vergangenen Herbst von einem Team von Theologinnen und Theologen und weiteren Fachleuten erarbeitet und ist unter https://wechooseabundantlife.com abrufbar.
Deutlich wurde bei den Jugendlichen die Sehnsucht nach ökumenischen Treffen und Zusammenarbeit unter junge Menschen. Sichtbar wurde zugleich fehlendes Wissen über die christlichen Geschwister und die Vielfalt christlicher Traditionen im eigenen Land und in der Region. Die Teilnehmenden sprachen sich für mehr Zusammenarbeit zwischen den Kirchen aus, gerade angesichts des Lebens in einem multireligiösen Kontext.
Als die wichtigsten gesellschaftlichen Herausforderungen benannten die jungen Erwachsenen Arbeitslosigkeit, eine grundsätzlich schwierige wirtschaftliche Lage, Kriege und Konflikte, Auswanderung, die Kluft zwischen den Generationen, gesellschaftliche Zwänge, vorherrschende Stereotypen über die jeweils „anderen“ sowie fehlende persönliche und gesellschaftliche Rechte als Bürgerinnen und Bürger ihres Landes. Innerhalb der Kirchen thematisierten die Teilnehmenden enge konfessionelle Zwänge, schwache Teilhabe junger Menschen am kirchlichen Leben oder eine veraltete kirchliche und theologische Sprache. Viele Jugendliche wendeten sich deshalb auch von der Kirche ab.
Positive Bilanz
Viola Raheb bilanzierte sehr positiv: Am Beginn des Workshops hätten viele der Teilnehmenden keine Aussichten für eine christliche Präsenz im Land und in der Region gesehen. Schlussendlich hätten die jungen Menschen aber bekräftigt, dass der Workshop ihnen Hoffnung gegeben habe: "Viele junge Menschen wollen sich mehr in der eigenen Kirche und in der ökumenischen Arbeit einbringen", so Raheb. Dazu bräuchten sie vor allem auch künftig Unterstützung für mehr ökumenische Bildungsarbeit und Folgetreffen.
Viele junge Erwachsene meinten, dass die ökumenische Begegnung während des Workshops sehr bereichernd gewesen sei. So betonte etwa eine junge Frau: "Ich konnte meine vorgefassten Meinungen ändern und erkenne den Reichtum in der Begegnung und Zusammenarbeit mit anderen Geschwistern im Glauben." Ein junger Mann ergänzte: "Den gelebten Glauben innerhalb einer ökumenischen Gruppe zu erleben, Lieder aus den verschiedenen kirchlichen Traditionen zu hören und gemeinsam zu beten und zu singen, war stärkend und Hoffnung gebend."
Das gemeinsame Abschluss-Plädoyer der Teilnehmenden: "Wenn wir als synodale Kirche uns gemeinsam auf den Weg machen wollen, dann müssen wir erst einmal wissen, wer unsere Geschwister sind, was ihre Theologie, Tradition und Praxis sind. Gemeinsam können wir den Herausforderungen besser begegnen und Handlungsoptionen entwickeln."
Workshops im Nahen Osten
Insgesamt wollen PRO ORIENTE und die "We choose abundant life"-Gruppe bis zu 100 junge Menschen als direkte Teilnehmende an ihrem ökumenischen Jugendprojekt zusammenbringen. Der erste Workshop fand in Beirut statt, weitere Workshops in Ägypten und Palästina/Israel und Syrien folgen noch. Zudem sollen einige der Jugendlichen, die an den Workshops teilgenommen haben, an zwei internationalen Konferenzen über Synodalität im November in Rom teilnehmen, um die Erfahrungen und Wünsche der Jugend in die Diskussion miteinzubringen.
Im Jahr 2023 ist ein regionaler Trainingsworkshop in Wien geplant, wo eine Vernetzung und ein Erfahrungsaustausch zwischen den Jugendlichen aus den verschiedenen Ländern des Nahen Ostens erfolgen soll.
Eine Video-Dokumentation mit Stimmen der Jugendlichen ist auf dem YouTube-Kanal von PRO ORIENTE abrufbar.