Sofia: Feier zum 70. Jahrestag der Wiedererrichtung des bulgarischen Patriarchats
Am 10. Mai 1953 wurde von der bulgarischen Landessynode Metropolit Kyrill von Plovdiv zum Patriarchen gewählt
Sofia, 11.05.23 (poi) Mit einem Festgottesdienst in der Alexander-Newskij-Kathedrale von Sofia hat die Bulgarisch-orthodoxe Kirche am Mittwoch den 70. Jahrestag der Wiedererrichtung des bulgarischen Patriarchats begangen. Die bulgarischen Bischöfe haben zugleich eine Botschaft veröffentlicht, in der sie auf die wechselvolle Geschichte der Orthodoxie in Bulgarien verwiesen. Die Kirche sei trotz aller Schwierigkeiten stets dem überlieferten Glauben treu geblieben und habe allen innerorthodoxen, katholischen, osmanischen und kommunistischen Herausforderungen standgehalten, so die Bischöfe in ihrer Botschaft, die im Gottesdienst verlesen wurde.
Das bulgarisch-orthodoxe Patriarchat wurde 1953 nach Verhandlungen mit dem Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel und den anderen autokephalen orthodoxen Kirchen wiedererrichtet. Am 10. Mai 1953 wurde von der Landessynode Metropolit Kyrill von Plovdiv (Philippopel) zum Patriarchen gewählt. Der Metropolit war durch seinen mutigen Protest gegen die 1943 geplante Auslieferung der bulgarischen Juden an die deutschen Nationalsozialisten im besetzten "Generalgouvernement" landesweit bekannt geworden. Patriarch Kyrill leitete die Kirche bis 1971.
Christianisierung im Jahr 864
Der Wiedererrichtung des Patriarchats im Jahr 1953 war eine bewegte Geschichte vorausgegangen. Das Christentum war seit dem 1. Jahrhundert im Bereich des heutigen Bulgarien präsent. Aber nach der slawischen Landnahme, auf die bald die Eroberung durch die turkstämmigen Protobulgaren folgte, bedurfte es einer Neuevangelisierung. Im Jahr 864 - unter dem Fürsten Boris I. – erfolgte die Christianisierung des bulgarischen Volkes unter Federführung des Patriarchen Photios I. Die Kirche Bulgariens wurde 927 vom oströmischen Kaiser Romanos I. Lakapenos als autokephales Patriarchat anerkannt. Diese Autokephalie fand 1018 nach der (Wieder-)Eroberung des Landes durch das oströmische Reich ihr vorläufiges Ende.
Nach der Wiedererlangung der politischen Unabhängigkeit wurde 1235 auch die bulgarische Kirche neuerlich in den Rang eines Patriarchats erhoben, dessen Sitz die neue Hauptstadt Tarnovo wurde. 1396 eroberten die Osmanen Bulgarien, die bulgarische Kirche wurde in der Folge dem Ökumenischen Patriarchat in Konstantinopel unterstellt. Im 19. Jahrhundert kam es zur "bulgarischen nationalen Wiedergeburt", in der die Kirche eine zentrale Rolle spielte. Die Bulgaren wollten keine griechischen Bischöfe mehr akzeptieren, und so erließ im Jahr 1870 Sultan Abdulaziz einen Ferman, mit dem die Gründung eines bulgarisch-orthodoxen Exarchats mit Sitz in Konstantinopel ermöglicht wurde. Infolgedessen kam es 1872 zu einer Spaltung vom Ökumenischen Patriarchat; diese Spaltung wurde erst 1945 mit der Anerkennung der Autokephalie der Bulgarisch-orthodoxen Kirche durch das Ökumenische Patriarchat überwunden.
Sitz des bulgarischen Exarchats in Konstantinopel war die Kirche Sveti Stefan am Goldenen Horn, ursprünglich nur eine kleine Holzkirche. Nach einem Brand schenkte Sultan Abdulhamid II. dem Exarchat ein großes Grundstück, auf dem ab 1892 nach Plänen des armenischen Architekten Hovsep Aznavor die neue Kathedrale entstand. Sie wird bis heute "Eiserne Kirche" genannt, weil sie eine der weltweit wenigen Kirchen ist, die zur Gänze aus Stahl und Eisen errichtet wurde. Nach einer internationalen Ausschreibung wurden die von "Waagner-Biro" in Wien vorgefertigten einzelnen Elemente, die zusammen rund 500 Tonnen wogen, zwischen 1893 und 1896 über die Donau und das Schwarze Meer nach Konstantinopel verschifft.
Die Kirche war zuletzt im Jänner 2018 nach zehnjährigen Restaurierungsarbeiten feierlich neu geweiht worden. Im Dezember 2021 hat der Ökumenische Patriarch Bartholomaios I. den neuen Altar geweiht. In seiner Predigt unterstrich der Patriarch, dass die Grundlage für die Einheit der Kirche das geografische Gebiet sei: Alle, die an einem bestimmten Ort leben, gehörten unabhängig von ihrer Nationalität kirchlich zum Ortsbischof, so Bartholomaios.