Priester in Iskenderun: Erdbeben hat Religionen einander näher gebracht
Kanzler des Apostolischen Vikariats Anatolien, Antuan Ilgit, im "AsiaNews"-Interview über die verheerende Lage und gleichzeitige große Solidarität im Erdbebengebiet in der Türkei
Das verheerende Erdbeben vor gut einer Woche hat die verschiedenen Kirchen einander näher gebracht, genauso aber auch Christen und Muslime. Das berichtet der Kanzler des Apostolischen Vikariats Anatolien, Pater Antuan Ilgit, gegenüber dem Infoportal "AsiaNews". Die Katastrophe bzw. die "tragische Erfahrung" habe zu einer De-facto-Ökumene unter Christen geführt, um "einander zu helfen", so der Ordensmann. P. Antuan gehört dem Jesuitenorden an. Neben den innerchristlichen Beziehungen habe aber auch der interreligiöse Dialog einen Impuls bekommen. Der Pater berichtete von gemeinsamen Gebeten von Christen und Muslimen. Einige Muslime würden auch christliche Gottesdienste aufsuchen.
Die Hilfe der Kirche gelte allen Menschen in Not, ungeachtet ihrer Konfession oder Religion. Und sie gelte auch Türken und Flüchtlingen aus Syrien und anderen Ländern gleichermaßen.
Die Umstände vor Ort sind laut dem Kirchenmann auch eine Woche nach dem Erdbeben dramatisch. "Seit einer Woche können wir uns nicht waschen, weil es kein Wasser gibt. Wir verwenden Tücher nur für ein Minimum an persönlicher Hygiene", so P. Antuan. In Iskenderun sei die Situation dabei noch besser als im nahen Antakya. In Iskenderun sei zwar die katholische Kathedrale eingestürzt, das Pfarrhaus haben aber standgehalten, "obwohl alle Gebäude rundherum auch eingestürzt sind". Das Pfarrhaus sei deshalb auch ein wichtiges Hilfszentrum in der Stadt, berichtete der Ordensmann. Im Pfarrhaus von Iskenderun würden derzeit ca. tausend Mahlzeiten pro Tag für die Erdbebenopfer zubereitet.
In Iskenderun seien auch schon Hilfslieferungen eingetroffen, berichtete P. Antuan. Einiges sei bereits weitergeschickt worden, in noch schlimmer betroffene Regionen wie Antakya oder Mersin: "Wir nutzen das Pfarrhaus von Mersin, das teilweise erhalten geblieben ist, um die Vertriebenen, Katholiken und Orthodoxe, ohne Unterschied aufzunehmen. Das nenne ich Ökumene." Die Tragödie habe katholische, armenische und orthodoxe Christen zusammengebracht. Und: "Es gibt Muslime, die darum bitten, an der Messe teilnehmen zu dürfen, die beten und Gott als Quelle des Trostes spüren."
"Unsere Situation ist surreal. Wir leben von einem Tag zum Tag, bewältigen die täglichen Anforderungen, ohne an die Zukunft zu denken. Wenn wir diese erste Phase überstanden haben, werden langfristige Wiederaufbauprojekte erforderlich sein", so der Ordensmann abschließend.