Plädoyer für gemeinsamen Ostertermin aller Kirchen
Der Grazer Ökumene-Experte Prof. Basilius Jacobus Bert Groen gilt als engagierter Befürworter eines gemeinsamen Osterdatums aller Kirchen. Zuletzt hat er sich im vergangenen Juni im Rahmen eines Online-Vortrages der Grazer PRO ORIENTE-Sektion dafür ausgesprochen. Auf Grundlage dieses Vortrags ist nun eine vollständig überarbeitete, aktualisierte und erweiterte Version einer früheren englischsprachigen Veröffentlichung von Prof. Groen zum gleichen Thema aus dem Jahr 2013 erschienen. Die neue Veröffentlichung trägt den Titel "Calendrical Labyrinth and Paschal Envisioning: Ecumenical Perspectives on the Thorny Path towards a Common Easter Date") und kann HIER im englischen Original abgerufen werden.
In seinem Text erläutert Groen die aktuelle Osterdatum-Debatte, wiegt Chancen und Hindernisse ab und plädierte persönlich für die Umsetzung des sogenannten "Aleppo-Modells". Freilich zeigt er sich auch realistisch, dass es dazu in absehbarer Zeit wohl nicht kommen wird.
Ein gemeinsamer Osterzyklus würde positiv bedeuten, "dass die östliche und die westliche Christenheit ihre liturgischen theologischen Schätze und ihre beeindruckenden Gottesdienste während der Großen Fastenzeit, der Karwoche, Ostern und der fünfzig Tage bis Pfingsten besser teilen können", so Groen.
Modell von Aleppo
Das "Modell von Aleppo" hatte eine eigens dazu eingerichtete Kommission des Weltkirchenrates 1997 in Aleppo (Syrien) erarbeitet und verabschiedet. Es soll demnach die Vorschrift aus dem ersten Ökumenischen Konzil von Nizäa übernommen werden, wonach Ostern auf den ersten Sonntag nach dem ersten Frühlingsvollmond fallen muss. Die genaue Bestimmung des Frühlingsbeginns überlässt das Modell aber dem jeweiligen Stand der wissenschaftlichen Forschung und – dies ist gewissermaßen die ökumenische Pointe dieses Vorschlags – es hat den Meridian von Jerusalem als geografischen Bezugspunkt. Dieses Modell stimmt freilich großteils mit dem Gregorianischen Kalender überein.
Während es für das "Aleppo-Modell" vom Westen wie auch von Patriarchat von Konstantinopel durchaus Zuspruch gab, hätten viele orthodoxe Kirchen überhaupt nicht reagiert, räumt Groen aber ein, der in seinem Vortrag auch nicht mit Kritik an der Ost- wie Westkirche spart: "Sicherlich sind viele Christinnen und Christen in Ost und West heute bereit, in diese Richtung zu gehen. Doch gleichzeitig zeigt eine Vielzahl von Gruppen keinerlei Willen, einen solchen Schritt zu tun."
Das Fazit des Ökumene-Experten: Um sich in der dornigen Kalenderfrage anzunähern, "bedarf es offensichtlich eines hohen Maßes an sorgfältiger Bildung und pastoraler Sensibilität". Groen mahnte von allen Kirchen die Bereitschaft ein, ihre eigenen konfessionellen Identitäten nicht für absolut zu erklären, sondern im Geist der Einheit auch Opfer zu bringen, "Zugeständnisse zu machen oder den ersten Schritt in Richtung Einheit zu setzen". In der Ökumene gehe es nicht um ein Gewinnen oder Verlieren.
Prof. Groen war bis 2018 ordentlicher Professor für Liturgiewissenschaft und Sakramententheologie an der Universität Graz, wo er auch den UNESCO-Lehrstuhl für Interkulturellen und Interreligiösen Dialog in Südosteuropa innehatte. Zurzeit ist er Gastprofessor an der Katholischen Universität Löwen und am Päpstlichen Ostkirchlichen Institut in Rom. Prof. Groen ist seit 2003 Konsultor der Stiftung PRO ORIENTE und war u.a. von 2005 bis 2009 Vorsitzender der PRO ORIENTE-Sektion Graz.
Der Vortrag von Prof. Groen ist (auf Deutsch) auch auf dem PRO ORIENTE-Youtube-Kanal abrufbar.