Ökumene-Empfang im Linzer Bischofshof
Diözesanbischof Manfred Scheuer und die Linzer PRO ORIENTE-Sektion luden am 8. Juni zur Begegnung - Zahlreiche Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen folgten der Einladung zum gemeinsamen Gebet und Austausch
Die ambivalente Rolle der Religionen in Bezug auf Krieg und Frieden sowie Einblicke in die Situation der Kirchen in Oberösterreich standen im Mittelpunkt des heurigen Ökumene-Empfangs im Linzer Bischofshof, zu dem Bischof Manfred Scheuer und die Linzer PRO ORIENTE-Sektion geladen hatten.
Der bereits dritte Ökumene-Empfang begann mit einer gemeinsamen Vesper im Festsaal des Linzer Bischofshofes. Anschließend begrüßte der Vorsitzende der Linzer PRO ORIENTE-Sektion, Landeshauptmann a. D. Josef Pühringer, die rund fünfzig Vertreterinnen und Vertreter der christlichen Kirchen Oberösterreichs. In Anlehnung an das Pfingstevangelium unterstrich Pühringer den Stellenwert der Ökumene: "Egal, wo die Menschen herkommen oder welche Sprache sie sprechen, der Geist wird auf alle ausgeschüttet. Entscheidend ist, dass wir im Lob und im Bekenntnis Gottes, egal in welchen Riten, egal in welchen liturgischen Formen und Traditionen, eins sind. Der Geist wirkt für alle und in allen. Diesem Geist gerecht zu werden und zum Durchbruch zu verhelfen, heißt, ökumenisch arbeiten."
Der frühere "Ökumene-Minister" des Vatikans, der emeritierte Kurienkardinal Walter Kasper, definiere Ökumene nicht als Diplomatie und nicht als Technik, sondern als Kunst: die Kunst, Misstrauen abzubauen, Vertrauen aufzubauen, Freunde zu gewinnen und Freundschaften zu stiften, erinnerte Pühringer. "So sehen wir auch als Sektion Linz in erster Linie unsere Aufgabe, die wir durch Pfarrbesuche, Begegnungen und Informationsveranstaltungen und nicht zuletzt durch den jährlichen Ökumene-Empfang erfüllen wollen", betonte der PRO ORIENTE-Vorsitzende.
Krieg und Frieden
Bischof Manfred Scheuer erinnerte in seiner Ansprache an die ambivalente Rolle der Religionen in Bezug auf Krieg und Frieden: "Steht der Glaube an den Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs, an den Gott des Moses und an den Vater Jesu Christi für Krieg und Gewalt oder ist er eine Quelle des Friedens und der Versöhnung? Historisch kennen wir beide Phänomene: Für Gott, Kaiser und Vaterland kämpften die Soldaten im Ersten Weltkrieg und auch für Kriege im Irak oder in Syrien wurden und werden 'Gott' und das 'Kreuz' in den Mund genommen. Auf der anderen Seite steht klar die Friedensbotschaft Jesu und auch das Selbstverständnis der Kirche als Gottes Friedensbewegung auf Erden, als Zeichen der Einheit und der Versöhnung der Menschen untereinander und mit Gott." Es gebe keine Religion, auch keine Weltreligion, die in ihrer Beziehung zu Gewalt und Krieg praktisch von Zweideutigkeit frei wäre, so Scheuer.
Gleichzeitig wies der Bischof darauf hin, dass vielfach ab dem 19. Jahrhundert der Nationalismus an die Stelle der Religion getreten und zur "säkularen Religion" geworden sei, sich die unterschiedlich stark säkularisierten Staaten aber "keineswegs als friedlicher" erwiesen hätten. Übersehen werde auch, dass Religionen im Lauf der Geschichte "enorme Dienste für den Frieden" erbracht hätten.
Scheuer wörtlich: "Die mediale Beobachtung der politischen und sozialen Umstände vergrößert die Gewalt, fokussiert auf Krieg und Schrecken, aber sie filmt und publiziert nicht im selben Maß den Frieden. Nach Ende des Bosnienkrieges wurden Imame, serbisch-orthodoxe und katholische Bischöfe geehrt, denen es in Teilen Bosnien-Herzegowinas gelungen war, durch einen Zusammenschluss der Religionsgemeinschaften die Ausbreitung des Krieges auf eine ganze Region zu verhindern. In den Berichterstattungen fand sich darüber kaum eine Zeile. Der Friede ist nicht spektakulär genug, er lässt keine reißerischen Fotos machen. Krieg und Gewalt, Hass und Eifersucht gehören zu den menschlichen Grundversuchungen. Religionen haben bisweilen massiv mit ihnen zu tun. Glaube und Religion sind aber nicht Ursache dieser menschlichen Tragik, sondern sie können dazu dienen, diese umzugestalten. Das ist unsere Herausforderung."
Der Bischof zitierte abschließend zwei Grundüberzeugungen des Theologen Hans Küng, der vor 30 Jahren das "Projekt Weltethos" postuliert hatte: "Kein Frieden unter den Nationen ohne Frieden unter den Religionen, kein Frieden unter den Religionen ohne Dialog der Religionen".
Kirchen in Oberösterreich
Um einen Einblick in die Situation der Kirchen in Oberösterreich zu geben, berichteten drei Vertreter der Kirchen über ihre derzeitige Situation und gegenwärtige Herausforderungen, moderiert von Gudrun Becker, Ökumene-Referentin der Diözese Linz.
Für die Griechisch-orthodoxe Kirche berichtete Goran Ostojic über die Herausforderungen als kleine Gemeinde, deren Gläubige über ganz Oberösterreich verteilt sind. Es fehle an ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern und der Gemeindepriester müsse jedes Mal aus Wien anreisen. Der Personalmangel mache sich aber vor allem beim Religionsunterricht bemerkbar. Trotz aller Schwierigkeiten spiele Ökumene auch in seiner Gemeinde eine Rolle: "Es freut uns, dass wir am 10. Juni zum ersten Mal bei der Langen Nacht der Kirchen dabei sein werden", so Ostojic.
Pastor Alexander Strecker von der Baptistengemeinde Linz beschäftigt vor allem die Internationalität seiner Gemeinde. Über 50 Prozent seien nicht österreichisch-stämmig und hätten einen Migrationshintergrund. Für eine gelungene Integration brauche es regelmäßige Treffen, was während der Pandemie nur erschwert möglich gewesen sei. Gastfreundschaft spiele eine zentrale Rolle in der Gemeinde. Ein Grund, warum er froh über den Ökumene-Empfang und die Möglichkeit des Austausches ist: "Wir lernen uns kennen, indem wir Zeit miteinander verbringen. Das ist etwas, das wir nach der Pandemie in der Gemeinde und in der Ökumene wieder lernen müssen", meinte Strecker.
Superintendent Gerold Lehner von der Evangelischen Kirche A.B. berichtete, dass sich durch die Pandemie viele Gläubige an das Zuhausebleiben gewöhnt hätten. Gleichzeitig lobte er die Kreativität und den Einsatz der Gemeinden, die es ermöglichten, ein Gemeindeleben aufrechtzuerhalten. Zudem sei kürzlich die erste evangelische Schule in Linz errichtet worden. Für die Wahl der Gemeindevertretung im kommenden Jahr sei es schwierig geworden, Freiwillige zu finden. "Eine Zeit lang haben wir unseren Gläubigen gesagt: Das ist nicht viel Arbeit, lass dich doch für die Wahl aufstellen. Wir werden das ändern. Wir sagen: Es ist eine Herausforderung, aber wir brauchen dich."
In Bezug auf die Ökumene sprach Lehner von der guten Ökumene: Während der Pandemie konnten einige evangelische Gemeinden ihre Gottesdienste in katholischen Kirchen feiern, um die Abstandsregeln einhalten zu können. Weiters sagte Lehner: "Wir erleben Ökumene in einer Komfortzone. Mich erstaunt es jedes Mal, wenn ich Menschen aus dem Libanon treffe, die unter schwierigsten Bedingungen leben. Das erinnert mich an eine Ökumene, in der wir einander Anteil an unseren Nöten und Sorgen geben."
"Auf das Ungewöhnliche in der Ökumene achten"
Im Anschluss hielt die Journalistin Brigitte Krautgartner einen Impulsvortrag. Krautgartner ist seit über 30 Jahren als Journalistin für die ORF-Abteilung Religion tätig. In ihrem Vortrag berichtete sie von mehreren ökumenischen Erfahrungen, die sie im Laufe ihrer journalistischen Tätigkeit gemacht hatte: Bei einer Versammlung der Gemeinschaft Evangelischer Kirchen Europas in Florenz begegnete sie Vertreterinnen und Vertretern der Waldenser-Kirchengemeinde, die ganz laizistisch in Erscheinung traten, Menschen mit Kollarhemd aus dem Baltikum und Skandinavien sowie anderen unterschiedlich gekleideten und kulturell geprägten Vertretern der evangelischen Kirchen. "Das war für mich ein ökumenisches Lernen und mir fiel auf, wie unterschiedlich 'evangelisch' aussehen kann", so Krautgartner.
Ein weiteres Erlebnis war eine Journalistenreise nach Sarajevo, bei der Krautgartner die katholische, jüdische und muslimische Gastfreundschaft erfahren durfte. Am Höhepunkt der Wirtschaftskrise besuchte die Journalistin eine Suppenküche in Griechenland, bei der ein griechisch-orthodoxer Geistlicher sehr erpicht darauf war, dass in Würde über die Menschen berichtet wird. "Wir mussten dem Herrn klarmachen, dass wir nicht über, sondern mit den Menschen sprechen wollten. Das war für uns ein Lernprozess über den Austausch von unterschiedlichen Standpunkten", erzählte Krautgartner.
Neben den journalistischen Erfahrungen berichtete Krautgartner auch von einem persönlichen Erlebnis, das ihr als ökumenisches Negativbeispiel in Erinnerung geblieben sei. Ihre Tochter habe sie einmal gefragt, was ihr evangelischer Schulkollege macht, während sie im katholischen Religionsunterricht sitzt. "Das hat mich schockiert, dass die Kinder nicht wissen, was im Religionsunterricht ihrer Schulkollegen passiert. Ich habe ihr erklärt, dass ihr Schulkollege im evangelischen Religionsunterricht sitzt und so wie sie gerade von Moses lernt. Speziell Moses würde sich doch wunderbar für ein interreligiöses Unterrichtsprojekt eignen", so Krautgartner.
Neben den Erlebnissen gab Brigitte Krautgartner den Teilnehmerinnen und Teilnehmern des Ökumene-Empfangs zwei Empfehlungen mit: "So wie im Journalismus sollten wir in der Ökumene auf das Ungewöhnliche achten. Bewusst auf das andere schauen, sich überraschen lassen und überlegen, was ich im anderen finden kann." Als Journalistin erlebe Krautgartner zudem immer wieder Seltsames und Schrulliges: "Es gibt Ansichten, die kann ich auf keinen Fall teilen. Meine Aufgabe ist es aber zu verstehen: Was glaubt dieser Mensch, warum glaubt er das und was will er mir erklären?" Hier brauche es einen wertfreien und offenen Zugang und den Versuch, jemanden zu verstehen, ohne dass dessen Ansichten übernommen werden müssten.