Libanon: Patriarch Rai spricht christlichen Politikern ins Gewissen
Oberhaupt der Maronitischen Kirche lud christliche Parlamentsabgeordnete zu vorösterlichem Einkehrtag
Beirut, 06.04.23 (poi) Der maronitische Patriarch Kardinal Bechara Boutros Rai hat christliche Politikerinnen und Politiker des Libanon zu einem vorösterlichen Einkehrtag geladen. Wie das jordanische Infoportal "abouna" berichtete, folgten mehr als 50 Parlamentsabgeordnete verschiedener Parteien am Mittwoch der Einladung des Patriarchen in das kirchliche "Zentrum von Bethanien" in Harissa. Auf dem Programm standen geistliche Übungen und Mediationen, aber auch ein Gottesdienst mit einer eindringlichen Predigt des Patriarchen, in der er die Politikerinnen und Politiker an ihre Verantwortung für das Gemeinwohl erinnerte.
Eine Politik, die nur eigene Interessen vorantreibe und nicht das Gemeinwohl anstrebt, beute das Land aus und stoße die Bevölkerung in Armut, so der Patriarch. Politik solle nicht als Ausübung von Macht, sondern als Dienstamt verstanden werden. Sie müsse sich vor allem für jene einsetze, die schwächer und ärmer sind und müsse stets auch das Wohl kommender Generationen im Blick haben, so der Patriarch.
Er rief die christlichen Abgeordneten auf, ihr Gewissen zu erforschen, was sie zum Wohlstand des Landes und zum sozialen Frieden beitrügen - und auch zur Überwindung der aktuellen Staatskrise.
Der Libanon wird seit 2019 von einer beispiellosen Wirtschaftskrise und sozialen Verwerfungen erschüttert. Auch politisch befindet sich das Land seit Jahren in der Krise. Nach dem Auslaufen der Amtszeit von Präsident Michel Aoun im Oktober 2022 konnte sich das Parlament bisher nicht auf einen Nachfolger einigen.
Das "Doppelvakuum" an der libanesischen Staatsspitze betrifft auch die Regierung. Ministerpräsident Nadschib Mikati, einer der wohlhabendsten Geschäftsleute des Landes, ist seit den Wahlen im Mai vergangenen Jahres nur noch ad interim im Amt. Eine neue Regierungsbildung scheiterte jedoch bisher.