Armenisches Kirchenoberhaupt Karekin II. seit 25 Jahren im Amt
Katholikos der Armenisch-apostolischen Kirche führt armenische Kirche durch schwierige Zeiten - Karekin II. hat viele gute Beziehungen zu Österreich, unter anderem auch zur Stiftung PRO ORIENTE
Jerewan/Wien, 31.10.24 (poi) Katholikos Karekin II. steht seit 25 Jahren an der Spitze der Armenisch-apostolischen Kirche. Er wurde am 27. Oktober 1999 auf der armenischen Nationalkirchenversammlung in Etschmiadzin zum Obersten Patriarchen und Katholikos aller Armenier gewählt. Weihe und Inthronisation erfolgten am 4. November 1999. Der Katholikos hat auch enge Beziehungen zu Österreich.
In Armenien ist die Kirche eine wichtige identitätsstiftende Kraft. Der Katholikos genießt eine hohe moralische Autorität und verfügt auch über großen politischen Einfluss. Erst vor wenigen Wochen, am 28. September, wurde nach mehrjährigen Renovierungsarbeiten die Kathedrale von Etschmiadzin wieder feierlich eingeweiht. Etschmiadzin bei Jerewan ist der Sitz des armenischen Patriarchats. Am 29. September fand die Weihe des heiligen Myron-Öls statt. Zu beiden Anlässen rief Karekin II. eindringlich zur Einheit Armeniens auf. Kirche, Politik und Volk müssten an einem Strang ziehen. Nur mit vereinten Kräften könne es dem armenischen Volk und seinem Staat gelingen, eine Zukunft zu garantieren und gleichsam auch der Bedrohung durch Aserbaidschan entgegenzutreten, betonte der Katholikos.
Armeniens Sicherheit sei ernsthaft bedroht, zudem müsse das armenische Volk erst den Verlust von Berg-Karabach (Artsach) überwinden, sagte Karekin II. in seiner Predigt bei der Myron-Weihe. Er wolle diese feierliche Zeremonie zum Anlass nehmen, "um erneut an die internationale Gemeinschaft und unsere Schwesterkirchen zu appellieren, wirksame Maßnahmen zur Einschränkung der Expansionsbestrebungen Aserbaidschans zu ergreifen" sowie die vertriebenen Artsach-Armenier zu schützen und ihre Rechte einzufordern. Zudem forderte der Katholikos die Freilassung der immer noch gefangenen Armenier in Aserbaidschan und Garantien zur Bewahrung des armenisch-christlichen kulturellen Erbes von Berg-Karabach.
Armenien brauche die Solidarität der Welt, sei zugleich aber vor allem selbst für seine Zukunft verantwortlich, so Karekin II. weiter. Die Hauptverantwortung für die Lösung der schwierigen Situation liege bei den Armeniern selbst: "Wir müssen uns zusammenschließen, unser Heimatland vor weiteren Erschütterungen und Verlusten schützen, bestehende Zukunftsängste zerstreuen, die Beziehungen zwischen Armenien und der Diaspora weiter stärken und einen gesunden politischen Dialog im Land beginnen", sagte der Katholikos.
Als Student in Wien
Karekin Nersessian wurde am 21. August 1951 in Voskehat in Armenien geboren. Er absolvierte einen Teil seiner theologischen Studien in Wien und war zu dieser Zeit auch ein Schüler des damaligen Wiener armenisch-apostolischen Erzbischofs Mesrob Krikorian. Nersessian wohnte im Wiener katholischen Priesterseminar als Stipendiat der Österreichischen Bischofskonferenz. Studienkollege des neuen Patriarchen war der nunmehrige St. Pöltner Bischof Alois Schwarz. Anschließend setzte Nersessian seine Studien am Regensburger Ostkirchlichen Institut fort und war dann als Seelsorger in Deutschland tätig. Er spricht sehr gut Deutsch.
1972 wurde Nersessian zum Priester geweiht, 1983 empfing er die Bischofsweihe, 1993 wurde er zum Erzbischof von Araradian ernannt. Schon als Vikar des Katholikos-Patriarchen für die Diözese Ararat zeichnete sich Nersessian durch große Tatkraft aus. Unter anderem übernahm er nach der "Wende" alle Jugendzentren der Kommunistischen Jugend (Komsomol) in die Obhut der Kirche. Auch das neue große Priesterseminar am Sewan-See ist sein Werk.
Schon bei der Wahl seines Vorgängers hatte er im ersten Wahlgang mehr Stimmen erhalten als der dann gewählte Karekin I. Nersessian zog seine Kandidatur aber bewusst zurück, um die Wahl Karekins I. zu ermöglichen und damit die Aussöhnung zwischen dem Katholikosat in Etschmiadzin und dem Katholikosat von Kilikien in die Wege zu leiten. Während der schweren Krebskrankheit Karekins I. fungierte Nersessian bereits als "Locum tenens" des Katholikos-Patriarchen. Seine Wahl zum Obersten Patriarchen und Katholikos aller Armenier erfolgte schließlich 1999.
Mehrmals war Katholikos Karekin im Vatikan zu Gast, wo er mit den Päpsten Johannes Paul II., Benedikt XVI. und Franziskus zusammentraf. Johannes Paul II. (2001) und Franziskus (2016) konnte er auch als Gäste in Armenien begrüßen.
Mehrmals führten seine Reisen das armenische Kirchenoberhaupt aber auch nach Österreich. In Armenien wiederum konnte er heimische Bischöfe, etwa die Bischöfe Alois Schwarz, Manfred Scheuer, Wilhelm Krautwaschl und Hermann Glettler willkommen heißen. Eng verbunden ist Karekin II. zudem mit der Stiftung PRO ORIENTE. Bereits seit 2001 ist er Protektor der Stiftung. Freundschaftlich verbunden ist der Katholikos auch mit Kardinal Christoph Schönborn.
Enge Verbindungen bestehen auch mit dem Salzburger "Zentrum zur Erforschung des Christlichen Ostens" (ZECO). Dieses setzt sich unter der Leitung der Armenien-Expertin Jasmine Dum-Tragut intensiv für die Bewahrung des christlichen Erbes in Berg-Karabach ein.
Armenisch-apostolische Kirche
Rund zehn Millionen Gläubige bekennen sich weltweit zur Armenisch-apostolischen Kirche. Die Armenier dürfen von sich behaupten, das älteste christliche Staatsvolk der Welt zu sein. Die Armenisch-apostolische Kirche gehört zu den orientalisch-orthodoxen Kirchen. Oberhaupt der Kirche ist der Katholikos-Patriarch von Etschmiadzin. Der Sitz des Patriarchen befindet sich in unmittelbarer Nähe der armenischen Hauptstadt Jerewan.
Neben dem Katholikosat von Etschmiadzin, zu dem etwas mehr als 40 Diözesen in Armenien, Europa, Amerika, Afrika, Asien und Australien gehören, gibt es noch das Katholikosat von Kilikien mit zehn Diözesen. Dazu kommen die zwei Patriarchate von Jerusalem und Konstantinopel. Zu letzterem gehören heute nur mehr rund 70.000 Gläubige, hauptsächlich in der Türkei, wobei die meisten von ihnen im Großraum Istanbul leben.
In Österreich leben bis zu 7.000 armenische Christinnen und Christen, davon ca. 3.000 in Wien. Kleine armenische Gemeinden gibt es neben Wien auch noch in Linz, Graz, Bregenz, Klagenfurt und Salzburg.